Der sogenannte Zeitgeist ist ja ein sehr kurzlebiges Konstrukt, und wer zu sehr auf ihn vertraut, verliert mitunter den Blick auf die kleine Welt um sich herum. Zu beobachten
liess sich das am Goldbrunnenplatz in Wiedikon. Als der von der Quartierbevölkerung so geschätzte Kiosk an der Tramhaltestelle schloss, zog dort ein veganer Take-away ein. Die
Konsternation in der Umgebung war gross. Brauchte es so etwas wirklich im Quartier? Umso mehr, als die Ladenvielfalt stetig verödet, wie überall ausserhalb der City. Für das
Quartierleben wichtige Geschäfte schlossen, gekommen sind Beautysalons, Coiffeursalons oder Asia-Restaurants. Es ist längst zum Gähnen. Auf einen veganen Take-away hatte
angesichts dessen niemand gewartet. Nach nur sechs Monaten schloss der Veganer. Und dann, so wie ein Wunder, das auf den Goldbrunnenplatz niederfällt, war der Kiosk plötzlich
wieder da und mit ihm seine Stammkunden, die draussen ihr Bier trinken; auch die Dame hinter dem Tresen verkauft wieder Zigaretten und Wein, als ob nichts geschehen wäre. «Es ist
so schön, wieder hier zu sein», sagt sie. Und ihre Wiediker Stammkunden nicken glücklich.
Tagblatt der Stadt Zürich
9. Mai 2017
Autor: Jan Strobel
Tagblatt der Stadt Zürich
9. Mai 2017
Autor: Jan Strobel