Walter Müller
Sein Händedruck ist fest, der Blick direkt und das Gegenüber nennt er auch beim Abschied nach einer knappen Stunde beim korrekten Namen. Walter Müller formuliert präzise,
antwortet konzentriert und verfügt über eine bewundernswerte Schlagfertigkeit. Wer den drahtigen kleinen Mann nicht kennt, würde vermuten: "Dieser Senior ist mit seinen 80 oder
gar mehr Jährchen bemerkenswert fit." Weit gefehlt, Walter Müller feiert heute bei prächtigem Wetter seinen 104. Geburtstag in einem Gartenrestaurant oberhalb von Zürich. Aus
diesem Anlass überbringen ihm Urs Rauber, Präsident des Quartiervereins Wiedikon, und Vorstandsmitglied Dieter Saxer einen Blumenstrauss und eine Flasche guten Rotwein.
Ein Ur-Wiediker? "Ja, das kann man sagen", erwidert Walter Müller putzmunter und beginnt zu erzählen. Geboren wurde Walter am 21. Juni 1914, einen guten Monate vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges an der Steinstrasse in Zürich Wiedikon. Nach einem Jahr zog die Familie an die Friesenbergstrasse 7 direkt am Goldbrunnenplatz. "Dort verübten wir als Lausbuben unsere Streiche", zum Beispiel in der nahe gelegenen Kohlehandlung von Gottlieb Lang, der am Standort der heutigen Tramhaltestelle Goldbrunnenplatz das Restaurant "Spitz" führte. Kein Wunder, wenn die herumtobenden Kinder jeweils mit schwarzen Kleidern nach Hause kamen. Dafür gabs dann gelegentlich vom Vater "mit dem Ceinturon" auf den Hintern. Doch Müller lacht: "Danach habe ich mich gebessert." Die Primar- und Sekundarschule besuchte der Junge im Schulhaus Bühl an der Goldbrunnenstrasse. An der Haldenstrasse befanden sich die letzten Wohnhäuser, dahinter lagen Gärten bis hinauf zum Uetlibergwald.
Als die Familienheimgenossenschaft Zürich (FGZ) in den 1920er Jahren am Friesenberg ihre erste Siedlung erbaute, zog die Familie Müller ebenfalls dort hinauf an den Maierisliweg. Den Namen kennen heute nur noch Alteingesessene. In der gleichen Strasse wohnte der FGZ-Mitbegründer und spätere SP-Stadtrat Jakob Peter. Nach ihm ist der Weg heute benannt.
"Vom Friesenberg habe ich nach dem Krieg hinunter an die Bühlstrasse 16 geheiratet. Dort konnte ich ins Haus meines Schwiegervaters einziehen." Der Schwiegervater führte an der Bühlstrasse 16 die bekannte Bäckerei Fehr, die unter anderem das feine Maisbrot backte. Der Wiediker Ehe von Walter und Gertrud Müller-Fehr entsprangen ein Sohn (Walter, geb. 1950) und eine Tochter (Christina, geb. 1954). Beide haben heute ihren Vater aus dem Altersheim Tiergarten zu einem Mittagessen auf die Waldegg entführt. Mitten im Gespräch, als die Kellnerin vom biblischen Alter ihres Gastes erfährt, fällt sie diesem stürmisch um den Hals und drückt ihm herzhaft Küsse auf beide Wangen. Walter Müller strahlt: "Heute wurde ich von so vielen Frauen umarmt, jetzt reicht es dann."
In der Freizeit trieb Walter Müller Sport im Turnverein Wiedikon: "Ich war vor allem Sektionsturner, wir turnten am Boden, am Reck und am Barren – und viele Male nahmen wir an kantonalen und schweizerischen Turnfesten teil." Beruflich lernte Müller Feinmechaniker, in der Krise der 1930er Jahre arbeitete er zeitweise auf dem Bau oder war arbeitslos. Doch nach kurzer Zeit konnte der aufgeweckte junge Mann eine Stelle bei Contraves von Emil Bührle antreten. Dort liess er sich weiterbilden als Mechaniker für Flabgeräte. Wegen der Beschäftigung in einem strategischen Betrieb wurde Müller während des Krieges von militärischen Kursen befreit, musste diese allerdings später nachholen.
Bei Bührle stieg Müller mit den Jahren zum technischen Einkäufer auf und wurde Mitglied des Kaders. "Mit 65 hatte ich dann genug – und liess mich pensionieren". Noch einmal gabs in dieser Zeit einen Wohnungswechsel, mit seiner 12 Jahre jüngeren Ehefrau zog Walter Müller um 1980 an die Uetlibergstrasse oberhalb der Laubegg.
"Leider hat uns dort die Credit Suisse mit ihrem Neubau den Blick auf die Alpen verstellt." Vor etwa 10 Jahren gab deshalb das Ehepaar Müller seine Wohnung auf und zügelte ins Altersheim Sieberstrasse (heute Seniorama im Tiergarten). Seine Frau Gertrud verstarb im Dezember letzten Jahres im Alter von 91 Jahren. Zu Müllers Jugendzeit war der Tiergarten noch eine Lehmgrube mit einer Ziegelfabrik. Jetzt im hohen Alter kehrt er zurück in ein verdichtetes neues Wohnquartier, das vor 30 Jahren dort entstanden ist, wo früher jahrzehntelang Ziegel gestochen und in Brennöfen gebrannt wurden. "Als Buben haben wir dort jeweils die Lorrys auf die Gleise gestossen, bis uns ein wütender Vorarbeiter davon jagte."
Der gesprächige ältere Herr hätte noch viel zu erzählen. Doch jetzt brauche er eine Pause. Sagts und verabschiedet sich freundlich von seinen Gästen, indem er nochmals für den Besuch dankt.
Ein Ur-Wiediker? "Ja, das kann man sagen", erwidert Walter Müller putzmunter und beginnt zu erzählen. Geboren wurde Walter am 21. Juni 1914, einen guten Monate vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges an der Steinstrasse in Zürich Wiedikon. Nach einem Jahr zog die Familie an die Friesenbergstrasse 7 direkt am Goldbrunnenplatz. "Dort verübten wir als Lausbuben unsere Streiche", zum Beispiel in der nahe gelegenen Kohlehandlung von Gottlieb Lang, der am Standort der heutigen Tramhaltestelle Goldbrunnenplatz das Restaurant "Spitz" führte. Kein Wunder, wenn die herumtobenden Kinder jeweils mit schwarzen Kleidern nach Hause kamen. Dafür gabs dann gelegentlich vom Vater "mit dem Ceinturon" auf den Hintern. Doch Müller lacht: "Danach habe ich mich gebessert." Die Primar- und Sekundarschule besuchte der Junge im Schulhaus Bühl an der Goldbrunnenstrasse. An der Haldenstrasse befanden sich die letzten Wohnhäuser, dahinter lagen Gärten bis hinauf zum Uetlibergwald.
Als die Familienheimgenossenschaft Zürich (FGZ) in den 1920er Jahren am Friesenberg ihre erste Siedlung erbaute, zog die Familie Müller ebenfalls dort hinauf an den Maierisliweg. Den Namen kennen heute nur noch Alteingesessene. In der gleichen Strasse wohnte der FGZ-Mitbegründer und spätere SP-Stadtrat Jakob Peter. Nach ihm ist der Weg heute benannt.
"Vom Friesenberg habe ich nach dem Krieg hinunter an die Bühlstrasse 16 geheiratet. Dort konnte ich ins Haus meines Schwiegervaters einziehen." Der Schwiegervater führte an der Bühlstrasse 16 die bekannte Bäckerei Fehr, die unter anderem das feine Maisbrot backte. Der Wiediker Ehe von Walter und Gertrud Müller-Fehr entsprangen ein Sohn (Walter, geb. 1950) und eine Tochter (Christina, geb. 1954). Beide haben heute ihren Vater aus dem Altersheim Tiergarten zu einem Mittagessen auf die Waldegg entführt. Mitten im Gespräch, als die Kellnerin vom biblischen Alter ihres Gastes erfährt, fällt sie diesem stürmisch um den Hals und drückt ihm herzhaft Küsse auf beide Wangen. Walter Müller strahlt: "Heute wurde ich von so vielen Frauen umarmt, jetzt reicht es dann."
In der Freizeit trieb Walter Müller Sport im Turnverein Wiedikon: "Ich war vor allem Sektionsturner, wir turnten am Boden, am Reck und am Barren – und viele Male nahmen wir an kantonalen und schweizerischen Turnfesten teil." Beruflich lernte Müller Feinmechaniker, in der Krise der 1930er Jahre arbeitete er zeitweise auf dem Bau oder war arbeitslos. Doch nach kurzer Zeit konnte der aufgeweckte junge Mann eine Stelle bei Contraves von Emil Bührle antreten. Dort liess er sich weiterbilden als Mechaniker für Flabgeräte. Wegen der Beschäftigung in einem strategischen Betrieb wurde Müller während des Krieges von militärischen Kursen befreit, musste diese allerdings später nachholen.
Bei Bührle stieg Müller mit den Jahren zum technischen Einkäufer auf und wurde Mitglied des Kaders. "Mit 65 hatte ich dann genug – und liess mich pensionieren". Noch einmal gabs in dieser Zeit einen Wohnungswechsel, mit seiner 12 Jahre jüngeren Ehefrau zog Walter Müller um 1980 an die Uetlibergstrasse oberhalb der Laubegg.
"Leider hat uns dort die Credit Suisse mit ihrem Neubau den Blick auf die Alpen verstellt." Vor etwa 10 Jahren gab deshalb das Ehepaar Müller seine Wohnung auf und zügelte ins Altersheim Sieberstrasse (heute Seniorama im Tiergarten). Seine Frau Gertrud verstarb im Dezember letzten Jahres im Alter von 91 Jahren. Zu Müllers Jugendzeit war der Tiergarten noch eine Lehmgrube mit einer Ziegelfabrik. Jetzt im hohen Alter kehrt er zurück in ein verdichtetes neues Wohnquartier, das vor 30 Jahren dort entstanden ist, wo früher jahrzehntelang Ziegel gestochen und in Brennöfen gebrannt wurden. "Als Buben haben wir dort jeweils die Lorrys auf die Gleise gestossen, bis uns ein wütender Vorarbeiter davon jagte."
Der gesprächige ältere Herr hätte noch viel zu erzählen. Doch jetzt brauche er eine Pause. Sagts und verabschiedet sich freundlich von seinen Gästen, indem er nochmals für den Besuch dankt.
Fotos: Dieter Saxer
Video Dieter Saxer, 29 Minuten: Gespräch mit Walter Müller, 21.6.2018.
https://1drv.ms/v/s!AhMCYZRGc4zqg4Ijt2mLvPF5E4nLTg
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