Quartierverein Wiedikon

Abgesang und Neuanfang beim Manesse-Brocki

So sah’s im Brockenhaus an der Steinstrasse 68 beim Manesseplatz aus So sah’s im Brockenhaus an der Steinstrasse 68 beim Manesseplatz aus
Das gemäss eigenen Angaben grösste Brokenhaus von Zürich hat Ende März seine Pforten geschlossen. In Wiedikon kannten alle die Adresse: Von der Steinstrasse 68, in der Nähe des Manesseplatzes, durchquerte man einen Hofeingang, dann mit angezogener Handbremse zu Fuss die gekurvte Rampe hinunter in die Tiefgarage. Dort stapelten sich Möbel, Kleider, Bücher, Bilder, Lampen und Geschirr. Einfach alles, was entsorgt werden musste. Und alles, was in einem neuen Haushalt benötigt wurde. Für ein paar dutzend oder wenige hundert Franken wechselten hier ganze Wohnungseinrichtungen den Besitzer und die Besitzerin.

Mit «Ramsch» haben echte Brockenhäuser nichts zu tun. Für Aficionados ist der samstägliche Gang zum Trödelladen reine Leidenschaft: Fachsimpelei, Qualitätsprüfung und höchste Kaufleidenschaft zeichnen ihn – genauer: sie – aus. Denn Brockibesuchende sind vor allem weiblichen Geschlechts. Seit einer guten Woche ist nun das Brockiland am Manesseplatz geschlossen. Der Vermieter will umbauen und ein neues Gebäude im Hof errichten. Deshalb musste das Manesse-Lager zügeln: nach Fahrweid-Dietikon (ZH) und Zufikon (AG), wo Brockiland bereits Niederlassungen hat. «Es ist traurig», sagt die ehemalige Chefin Melanie Morf, die mit Verkäuferin Oumie Küpfer und weiteren Angestellten umziehen musste. «Erst kam Corona, wir mussten zeitweise schliessen. Und nun der Umzug – das tut weh.»
Der legendäre Eingang in die Tiefgarage
Der legendäre Eingang in die Tiefgarage
Hofeingang zum Innenhof
Hofeingang zum Innenhof
Chefin Melanie Morf (links) und Verkäuferin Oumie Kuepfer machen in Fahrweid und Zufikon weiter. Chefin Melanie Morf (links) und Verkäuferin Oumie Kuepfer machen in Fahrweid und Zufikon weiter.
Doch in Dietikon und Zufikon wird weitergemacht. Wiediker Stammkundinnen seien natürlich willkommen. Wer Waren bringen oder kaufen möchte, möge doch mit der Bahn nach Dietikon fahren. Von dort gibt’s einen Bus in Richtung Fahrweid. An der Überlandstrasse 126 (Haltestelle Limmatbrücke) befindet sich das Brockiland Fahrweid. Es ist der nächste erreichbare Ort für regelmässige Brockibesuchende. Etwas weiter weg liegt das Brockiland Zufikon, dafür besteigt man die S-Bahn nach Bremgarten. Von dort geht’s mit dem Bus an die Chräenbachstrasse 2 in Zufikon. Die Öffnungszeiten in beiden Brockis sind die gleichen: Dienstag bis Freitag 10:00 bis 17:00 Uhr und Samstag 09:00 bis 16:00 Uhr.

Der Journalist Beni Frenkel, ein Stammkunde im Brockiland Steinstrasse, hat ein wehmütiges Porträt über das Manesse-Brocki verfasst. Er sei dort seit 25 Jahren mindestens einmal pro Woche zu Besuch gewesen: «So ziemlich alles, was ich besitze, stammt aus diesem Brockenhaus im Kreis 3.» Er beschreibt auch die Menschen, die dort gearbeitet, die Gegenstände geordnet, sauber gehalten und verkauft haben. Etwa die Verkäuferin Oumie, «meine zweite Mutter», oder die Inderin Switha, mit der er «in den letzten 25 Jahren vielleicht 25 Sätze gewechselt» habe. Lesen Sie hier Frenkels liebevolles Requiem auf das Brockiland in «Zürich West» vom 25. März 2021.