Am Sonntag, 31. Oktober 2021 fand in der Kirche Bühl ein Festgottesdienst zum 125-jährigen Bestehen der Kirche Bühl statt. Dieser stand ganz im Zeichen der Bühlkirche und der
Pfarrersleute, die in dieser Kirche bis heute gewirkt haben. So waren alle noch lebenden ehemaligen Pfarrerinnen und Pfarrer anwesend; und gesungen wurden ausschliesslich Lieder
des ehemaligen Wiediker Pfarrers Adolf Maurer aus dem Gesangsbuch. Umrahmt wurde der Gottesdienst mit festlicher Musik von Robin Park an der Trompete und Grzegorz Fleszar an der
Orgel.
Auch wer sich nicht gross mit Architektur befasst, spürt unmittelbar, dass die Bühlkirche etwas Besonderes ist: Die einzigartige Lage auf dem Wiedinghügel hoch über Wiedikon, die eher ungewöhnliche Backstein-Bauart (die Ziegel wurden im Quartier gebrannt) sowie eine für reformierte Verhältnisse üppig geschmückte Innenausstattung verströmen sofort eine besondere Atmosphäre.
Lieblingsorte in der Kirche
Die beiden amtierenden Pfarrer der Bühlkirche, Sara Kocher und Thomas Fischer, schilderten ihren Lieblingsort im Gotteshaus. Thomas Fischer findet nach aufwühlenden Seelsorge-Gesprächen Ruhe und Zuversicht, wenn er sich in die Mitte des Kirchenschiffes setzt und durch die wunderschöne Holzverkleidung der Kanzel nach oben schaut und der Stern der Orgel noch immer fest an seinem Platz ist. Sara Kocher hingegen blickt gerne in die andere Richtung: Von der Kanzel in Richtung Ausgang, wo sie in der Mitte des grossen runden Fensters auf der Empore, den Christus mit Dornenkrone sieht – ein Fensterbild, das stilistisch eigentlich nicht ganz zum Rest der Bühlkirche passt. Mit ihm hält sie Zwiesprache, ob sie die Predigten in seinem Sinne ausgelegt hat.
So wie den beiden Pfarrern geht es wohl vielen, die regelmässig die Kirche Bühl besuchen. Die handwerklich wunderschön gearbeiteten Details laden zum Betrachten und Innehalten ein.
Bewegte Zeit
Ein rundes Jubiläum ist auch ein Moment, zurückzuschauen. Dies tat Sara Kocher, indem sie im 100 Jahre zurückreichenden Pfarreiarchiv auf Spurensuche ging. Mit unterhaltsamen Anekdoten illustrierte sie, was die Kirchenleute und ihr Personal in ihrer jeweiligen Zeit beschäftigte. So kümmerte sich die Kirche auch damals schon um Flüchtlinge – allerdings viel weniger um Persönlichkeitsrechte als heute. Oder sie setzte sich dafür ein, dass die Tagelöhner über die Festtage, wo nicht gearbeitet werden dufte, trotzdem eine Entlöhnung erhielten, damit sie die Feiertage am Jahresende nicht in Not verbringen mussten. Die Kirche als Wegbereiterin des modernen Sozialstaates.
In den Protokollen der Pfarrsitzungen ging es aber auch um Sitten und Unsitten. Und es wurde debattiert, ob die Jugend über Sexualität aufgeklärt werden solle oder nicht. Als Sara Kocher aus einem Brief eines Pfarrers zitierte, der der Meinung war, Sexualaufklärung sei nicht nötig – denn «wenn ein Mädchen nicht will, passiert nichts» –, reagierten die Gottesdienstbesucher mit ungläubigem Lachen. Das zeigt, wie stark sich die Zeiten geändert haben.
Abschluss mit Apéro
Die farbigen Geschichten, die Pfarrerin Kocher zusammengetragen hat, zeigen, dass sich die Kirche schon damals für aktuelle Fragen eingesetzt hat. Aber auch, dass sich die Brennpunkte im Laufe der Zeit dramatisch verändert haben. Wer der Meinung ist, die Kirche sei «starr» und gehe nicht mit der Zeit, irrt gewaltig.
Der Festgottesdienst wurde mit einem schönen Apéro im Kirchenhof abgerundet. Verschiedene Festredner richteten ein kurzes Grusswort an die Festgemeinde: Hansruedi Frischknecht verlas ein Grusswort der Zunft zu Wiedikon, der Kirchenkreiskommissionspräsident Andreas Michel wünschte der Kirche Bühl weitere gute Jahre und Esther Pfister vom Vorstand des Quartiervereins bedankte sich für das Wirken der Kirche Bühl im Quartier.
Überhaupt, die Kirche Bühl und der Quartierverein haben auch einiges gemeinsam. Während das Kirchengebäude städtebaulich identitätsstiftend ist fürs Quartier, versteht sich der Quartierverein parteiübergreifend als politische Klammer um die Quartierbewohner. Und während sich die Kirche um das Seelenheil ihrer Schäfchen kümmert, widmet sich der Quartierverein profaneren Anliegen der Bevölkerung – wie etwa der Schaffung eines Frischmarktes im Quartier («BrupbiMärt») oder der jährlichen Durchführung von Wiediker Kunstausstellungen im Ortsmuseum.
Lesen Sie auch den Artikel von Liliane Waldner in «Zürich West» vom 11. November 2021
Auch wer sich nicht gross mit Architektur befasst, spürt unmittelbar, dass die Bühlkirche etwas Besonderes ist: Die einzigartige Lage auf dem Wiedinghügel hoch über Wiedikon, die eher ungewöhnliche Backstein-Bauart (die Ziegel wurden im Quartier gebrannt) sowie eine für reformierte Verhältnisse üppig geschmückte Innenausstattung verströmen sofort eine besondere Atmosphäre.
Lieblingsorte in der Kirche
Die beiden amtierenden Pfarrer der Bühlkirche, Sara Kocher und Thomas Fischer, schilderten ihren Lieblingsort im Gotteshaus. Thomas Fischer findet nach aufwühlenden Seelsorge-Gesprächen Ruhe und Zuversicht, wenn er sich in die Mitte des Kirchenschiffes setzt und durch die wunderschöne Holzverkleidung der Kanzel nach oben schaut und der Stern der Orgel noch immer fest an seinem Platz ist. Sara Kocher hingegen blickt gerne in die andere Richtung: Von der Kanzel in Richtung Ausgang, wo sie in der Mitte des grossen runden Fensters auf der Empore, den Christus mit Dornenkrone sieht – ein Fensterbild, das stilistisch eigentlich nicht ganz zum Rest der Bühlkirche passt. Mit ihm hält sie Zwiesprache, ob sie die Predigten in seinem Sinne ausgelegt hat.
So wie den beiden Pfarrern geht es wohl vielen, die regelmässig die Kirche Bühl besuchen. Die handwerklich wunderschön gearbeiteten Details laden zum Betrachten und Innehalten ein.
Bewegte Zeit
Ein rundes Jubiläum ist auch ein Moment, zurückzuschauen. Dies tat Sara Kocher, indem sie im 100 Jahre zurückreichenden Pfarreiarchiv auf Spurensuche ging. Mit unterhaltsamen Anekdoten illustrierte sie, was die Kirchenleute und ihr Personal in ihrer jeweiligen Zeit beschäftigte. So kümmerte sich die Kirche auch damals schon um Flüchtlinge – allerdings viel weniger um Persönlichkeitsrechte als heute. Oder sie setzte sich dafür ein, dass die Tagelöhner über die Festtage, wo nicht gearbeitet werden dufte, trotzdem eine Entlöhnung erhielten, damit sie die Feiertage am Jahresende nicht in Not verbringen mussten. Die Kirche als Wegbereiterin des modernen Sozialstaates.
In den Protokollen der Pfarrsitzungen ging es aber auch um Sitten und Unsitten. Und es wurde debattiert, ob die Jugend über Sexualität aufgeklärt werden solle oder nicht. Als Sara Kocher aus einem Brief eines Pfarrers zitierte, der der Meinung war, Sexualaufklärung sei nicht nötig – denn «wenn ein Mädchen nicht will, passiert nichts» –, reagierten die Gottesdienstbesucher mit ungläubigem Lachen. Das zeigt, wie stark sich die Zeiten geändert haben.
Abschluss mit Apéro
Die farbigen Geschichten, die Pfarrerin Kocher zusammengetragen hat, zeigen, dass sich die Kirche schon damals für aktuelle Fragen eingesetzt hat. Aber auch, dass sich die Brennpunkte im Laufe der Zeit dramatisch verändert haben. Wer der Meinung ist, die Kirche sei «starr» und gehe nicht mit der Zeit, irrt gewaltig.
Der Festgottesdienst wurde mit einem schönen Apéro im Kirchenhof abgerundet. Verschiedene Festredner richteten ein kurzes Grusswort an die Festgemeinde: Hansruedi Frischknecht verlas ein Grusswort der Zunft zu Wiedikon, der Kirchenkreiskommissionspräsident Andreas Michel wünschte der Kirche Bühl weitere gute Jahre und Esther Pfister vom Vorstand des Quartiervereins bedankte sich für das Wirken der Kirche Bühl im Quartier.
Überhaupt, die Kirche Bühl und der Quartierverein haben auch einiges gemeinsam. Während das Kirchengebäude städtebaulich identitätsstiftend ist fürs Quartier, versteht sich der Quartierverein parteiübergreifend als politische Klammer um die Quartierbewohner. Und während sich die Kirche um das Seelenheil ihrer Schäfchen kümmert, widmet sich der Quartierverein profaneren Anliegen der Bevölkerung – wie etwa der Schaffung eines Frischmarktes im Quartier («BrupbiMärt») oder der jährlichen Durchführung von Wiediker Kunstausstellungen im Ortsmuseum.
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