Quartierverein Wiedikon

Wiedikon hat in der Pandemie abgenommen

Wiedikon hat in der Pandemie abgenommen
Zwar hat Wiedikon nicht an politischem Gewicht verloren, aber die Bevölkerungszahl ist leicht gesunken. Ende 2021 zählte der Kreis 3 exakt 50'104 Personen, darunter rund 35'600 Schweizerinnen und Schweizer sowie 14'500 Ausländerinnen und Ausländer. Das sind gut tausend Personen weniger als am 31. Dezember 2019 (51'122). Diese Entwicklung ist erstaunlich, weil die Stadt Zürich selbst in den beiden von Corona geprägten Jahren 2020 und 2021 insgesamt leicht gewachsen ist. Sie zählte Ende letztes Jahr 436'332 Personen, davon rund 296'000 Schweizerinnen und Schweizer sowie 140'000 Ausländerinnen und Ausländer. Ende 2019 waren es 434'008 Einwohnerinnen und Einwohner.

Was ist passiert? Warum nimmt die Stadt zu, Wiedikon aber ab? Kommt die Stadtzürcher Bevölkerungsentwicklung nach gut 20-jährigem Wachstum an ihr Ende? Ist Wiedikon Vorläufer einer Wachstumsumkehr oder nur eine Ausnahme im allgemeinen Wachstumstrend? Statistik Stadt Zürich hat auf Wunsch des Quartiervereins die Bevölkerungszahlen für den Kreis 3 aufbereitet. Diese lassen einen vertieften Einblick in die Mikrostruktur des Quartiers zu und sind hier zu finden.

Zunächst ist festzuhalten, dass sich die moderate Abnahme gleichmässig auf die drei Quartiere Alt-Wiedikon, Friesenberg und Sihlfelfd verteilt. Auch das Grössenverhältnis unter den drei Teilgebieten hat sich nicht verändert. Aktuell leben in Alt-Wiedikon – mit den statistischen Zonen Binz, Goldbrunnenplatz, Gotthelfstrasse, Höfliweg, Manesseplatz und Saalsporthalle – 17'631 Personen. Im Friesenberg – mit den statistischen Zonen Albisgüetli, Gehrenholz, Heuried, Strassenverkehrsamt, Triemli und Uetliberg – sind es 10'957 Personen. Und im Quartier Sihlfeld – mit den statistischen Zonen Bahnhof Wiedikon, Brahmsstrasse, Friedhof Sihlfeld, Fritschistrasse, Idaplatz, Schaufelbergerstrasse, Sihlhölzli und Zwinglihaus – wohnen 21'516 Menschen. Die statistischen Zonen finden Sie hier.

Der Bevölkerungsrückgang verlief in den 20 statistischen Zonen praktisch parallel und proportional zur Grösse der Quartierpopulation. Nur in der Zone Saalsporthalle nahm die Personenzahl leicht zu (um 33 Personen). Doch diese einzelne gegenläufige Bewegung taugt kaum für allgemeine Schlussfolgerungen. Ein Unterschied zwischen Personen mit ausländischem Pass sowie Schweizerinnen und Schweizer ist ebenfalls kaum auszumachen. Der Rückgang des Ausländeranteils an der Quartierbevölkerung sank nur unwesentlich: von 29.4 Prozent (2019) auf 29.0 Prozent (2022).

Worin also liegt der Grund für den Bevölkerungsrückgang? Wir fragen Judith Riegelnig, wissenschaftliche Mitarbeiterin von Statistik Stadt Zürich. Sie macht auf zwei Faktoren aufmerksam: «Einerseits hatten wir sowohl 2020 wie auch 2021 wegen der Corona-Epidemie weniger Zuzüge als in früheren Jahren.» Das drücke sich in der ganzen Stadt aus. Neben dem Kreis 3 verzeichneten etwa auch der Kreis 12, der Kreis 10 und der Kreis 1 einen leichten Bevölkerungsrückgang, während andere Stadtkreise eher zulegten.

Ein weiterer Grund – so Riegelnig – stelle die Bautätigkeit im Quartier dar. So seien im Kreis 3 im Jahr 2021 insgesamt 156 Wohnungen mehr abgebrochen als neu fertiggestellt worden, was einen Minussaldo ergebe: «Dies dürfte grösstenteils den Bevölkerungsrückgang im Quartier erklären.» Die Bautätigkeit stelle einen vorauseilenden Indikator dar: «Werden in der Stadt Wohnungen gebaut, werden diese in der Regel auch gefüllt.» Betrachte man die aktuell in Wiedikon im Bau befindlichen Wohnungen (228) sowie die 2020/21 neu bewilligten Wohnungen (über 1'000) zeige sich: «Es wird voraussichtlich in den nächsten Jahren sehr viele neue Wohnungen im Kreis 3 geben, die wahrscheinlich bald wieder zu einer höheren Einwohnerzahl führen.»

Schliesslich macht Judith Riegelnig auf einen weiteren Spezialfall aufmerksam: die durch den Ukraine-Krieg ausgelöste Flüchtlingsbewegung. Normalerweise zähle man Flüchtlinge nicht zur wirtschaftlichen Wohnbevölkerung – anders Flüchtlinge mit dem Sonderstatus S, wie in diesem Fall. «Es kann also gut sein, dass der Ukraine-Krieg schon im laufenden Jahr in Zürich zu einem Bevölkerungswachstum führt.»

Das alles scheint darauf hinzuweisen, dass die aktuelle «Delle» in Wiedikon eine Ausnahme war und der langfristige Trend auch in Zukunft Richtung Wachstum zeigt.
Ukrainische Flüchtlinge – zählen Sie bald zu Zürichs Wohnbevölkerung?
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