Quartierverein Wiedikon

«Gegen Klimaerwärmung ist Wiedikerli das richtige Produkt»

Metzgerei Keller am Manesseplatz – seit 1934 Metzgerei Keller am Manesseplatz – seit 1934
Auf den 1. Oktober 2022 hat Geschäftsführer Roger Willimann in der traditionsreichen Metzgerei Keller am Manesseplatz den Stab an Raphael Travnicek übergeben. Der ehemalige Familienbetrieb war schon im Juli 2017 von Urs Keller an die HEBA Food Holding verkauft worden. Die legendären «Wiedikerli» jedoch bleiben im Sortiment und werden weiterhin im Manessequartier produziert. Insider wissen: Die Rostbratwürste sind rund 20 cm lang, dünn und wiegen 80 Gramm. «Die Rezeptur ist natürlich geheim», sagt Travnicek auf eine entsprechende Frage.

Wer zu einer Besprechung in den kleinen Sitzungsraum im ersten Stock der Manessestrasse 88 eingeladen wird, erhält zur Begrüssung ein knackig gebratenes Wiedikerli serviert und ein Glas Wasser. Und sei’s morgens um 9 Uhr. «Das Wasser ist okay?» fragt Roger Willimann, der die Firma in den letzten dreieinhalb Jahren geführt hat. Mit seinem 38-jährigen Nachfolger Raphael Travnicek beantwortet er Fragen des Quartiervereins zur Fleischveredelung und zur Geschichte der alteingesessenen Metzgerei. Diese wurde 1934 im gleichen Haus von Armin Keller eröffnet. 1968 übernahm Sohn Erich Keller den Betrieb, modernisierte ihn und baute weiter aus. Bis schliesslich Enkel Urs Keller 1992 in dritter Generation ins Geschäft einstieg und dieses zu einem führenden Betrieb im Grossraum Zürich entwickelte. Da sich keine familieninterne Nachfolge abzeichnete, wurde der Betrieb wie erwähnt 2017 verkauft, aber unter altem Namen weitergeführt. Warum?
Klein, aber fein: Ladentheke von innen
Klein, aber fein: Ladentheke von innen
Der neue Geschäftsführer Raphael Travnicek im Innenhof der Metzgerei
Der neue Geschäftsführer Raphael Travnicek im Innenhof der Metzgerei
«In der Stadt Zürich ist dies die letzte Metzgerei in der ursprünglichen Struktur, wie sie seit 100 Jahren bestanden hat», sagt Willimann. Im unterkellerten Innenhof werde «ausgebeint» und gewurstet, würden Plätzli geklopft und Braten gebunden. Im Parterre befindet sich das Verkaufsgeschäft. Und darüber die Wohnung, «wo der Wurster sein Zmorgenessen einnimmt» und wo gekocht und gebrüht wird, was unten im Laden verkauft wird. Von dieser Struktur gabs in der Stadt Zürich früher über 200 Metzgereien – «jetzt ist die Metzgerei Keller die letzte in dieser Art». Einen solchen Manufakturbetrieb will die neue Geschäftsführung erhalten, damit «wir jeden Morgen hier am Manesseplatz die feinen Wiedikerli vor Ort produzieren können».

In der Tat sind die Platzverhältnisse eng, wie ein anschliessender Rundgang unter Boden und durch Haupt- und Nebengebäude zeigt. Gegen 50 Personen arbeiten hier – im Laden, in der Administration, in den Produktionsräumen und im Hof, wo Chauffeure das veredelte Fleisch in Kühllastwagen verladen. Neben dem Geschäft an der Manessestrasse führt die Metzgerei Keller einen Filialbetrieb im Jelmoli Food Market. Rund 30 Prozent des Umsatzes werden am Standort Manesse und bei Jelmoli erzielt, etwa 70 Prozent in der Gastronomie der Stadt Zürich. Die Metzgerei beliefert zahlreiche Restaurants, Spitäler und Personalkantinen. «In einigen Lokalen steht das Wiedikerli sogar auf der Menukarte», erzählt Raphael Travnicek stolz. Das Ziel sei, weiter zu wachsen. «Wir haben genug Arbeit. Der Markt ist da, obwohl der Fleischkonsum sinkt.»
Wursten im unterkellerten Innenhof
Wursten im unterkellerten Innenhof
Auch Brät wird am Manesseplatz täglich produziert
Auch Brät wird am Manesseplatz täglich produziert
Ist es heute schwieriger, Fleisch zu verkaufen? Ja, die Kunden seien wählerischer geworden und fragten auch mal nach dem ökologischen Fussabdruck. «Doch hier schneidet unsere Rostbratwurst super ab», schwärmt Roger Willimann, «von der FoodZurich haben wir soeben wissenschaftlich bestätigt bekommen, dass das Wiedikerli massiv weniger zur Klimaerwärmung beiträgt als andere Fleischprodukte.» Einerseits sei es ein Schweineprodukt, das weniger Methanausstoss verursache als ein Kalb oder ein Rind. Anderseits werde es lokal produziert, enthalte also deutlich weniger Transportenergie. Das Lebensmittel Humus sei ökologisch gesehen nicht weit vom Wiedikerli entfernt. «Im Zusammenhang mit der Klimaerwärmung ist das Wiedikerli also das richtige Produkt», schmunzelt der geborene Fleischverkäufer.
Hier werden frische gewürzte Wiedikerli gestossen Hier werden frische gewürzte Wiedikerli gestossen
Und setzt noch einen drauf: Seit 2021 gebe es zusätzlich das Bio-Wiedikerli. Dieses stamme zu 100 Prozent aus biologischer Produktion und schneide in der Ökobilanz noch besser als das traditionelle Würstli ab. Allerdings räumt Willimann ein, dass der Bio-Anteil beim Verkauf nur marginal sei. Die Kunden wollten eben vor allem das bekannte Wiedikerli.

Einen wichtigen Unterschied gibt’s jedoch: Das traditionelle Wiedikerli wiegt 80 Gramm und kostet im Viererpack 14 Franken, das Bio-Wiedikerli hingegen wiegt nur 60 Gramm und kostet im Viererpack 16 Franken. Weil eben Bioprodukte wegen der aufwendigeren Herstellung etwas mehr kosten. Anderseits könnte man argumentieren: Weniger Fleisch essen ist gesund.

Der Quartierverein schlägt der Metzgerei Keller deshalb neue Werbeslogans vor:
  • Für traditionelle Kunden: Deiner Gesundheit und der Umwelt zuliebe – iss mehr Wiedikerli
  • Für Ökofans: Noch besser als Wiedikerli sind nur Bio-Wiedikerli!
  • Für Gesundheitsapostel: Das Bio-Wiedikerli hilft, deinen Fleischberg zu reduzieren
Mehr zur bekannten Wiediker Metzgerei finden Sie hier.