Quartierverein Wiedikon

Restaurant «Vereinigung»

Restaurant «Vereinigung» (Foto Wolf Bender 1961)
Das Restaurant «Vereinigung» im Manessequartier erinnert an die Eingemeindung von Wiedikon in die Stadt Zürich 1893. Das ehemalige Bauern- und Ziegeldorf hatte dem Anschluss an die Stadt im Jahr zuvor mit 1113 Ja gegen nur 23 Nein zugestimmt. Aus dieser Zeit stammt das Gebäude an der Manessestrasse 132, in der sich bis heute eine legendäre Quartierbeiz befindet. Seit anderthalb Jahren wird sie von einer neuen jungen Crew geführt.

Der bekannte Gastrokritiker Urs Bühler schreibt dazu in der NZZ vom 18. November 2023 eine positive kulinarische Kritik, die es verdient, im vollen Wortlaut wiedergeben zu werden. Titel: Diese Beiz wärmt ohne Blendwerk. Die Fotos dazu stammen vom Quartierverein - mit Ausnahme des obersten Bildes: Foto Wolf Bender 1961.
Echte Quartierbeiz: Restaurant Vereinigung, Ecke Eichstrasse/Manessestrasse Echte Quartierbeiz: Restaurant Vereinigung, Ecke Eichstrasse/Manessestrasse
Es ist einer dieser kalten Herbstabende, an denen es alle nach drinnen zieht und In-Lokale in der Innenstadt aus allen Nähten platzen. Wir aber versuchen und finden unser Glück in einem Hort der Gemütlichkeit an eigentlich unwirtlicher Lage bei einer Bahnunterführung. Das Restaurant Vereinigung an der Manessestrasse in Wiedikon hat für uns eine offene Tür und genug Platz.

Wir treten ein, schieben den als Windfang dienenden roten Vorhang beiseite – und wähnen uns in einer anderen Zeit: Da empfangen uns eine geschwungene Bar aus Holz, rund zehn Tische mit Horgen-Glarus-Stühlen, rotbraunes Wandtäfer, ein alter grüner Kachelofen samt Ofenbänkli. Das Interieur ist nicht mit hippen Accessoires aufgepeppt, es darf für sich wirken in dieser Beiz, die diese Bezeichnung verdient.

Die junge Crew, die den Betrieb seit letztem Jahr führt, zeigt sich erfreulich resistent gegenüber den Trends, mit denen schnelllebige Zürcher Gastbetriebe die Karawane bei Laune halten, ehe diese weiterzieht. Nun hat das zuletzt als «Bar Sol» geführte Lokal auch seinen angestammten Namen zurückerhalten, mit dem es in seine 130-jährige Geschichte einstieg: «Vereinigung», in Anlehnung an die damals vollzogene Eingemeindung Wiedikons.
Um 19 Uhr ist die Gaststube erst halb gefüllt Um 19 Uhr ist die Gaststube erst halb gefüllt
Das heutige Septett knüpft an das Konzept seiner Vorgänger an, die bodenständig wirteten, und übernimmt deren Slogan «brachial saisonal». Doch keine Bange: Die Atmosphäre ist nicht ideologisch versteift. Laut Vorwort zur Speisekarte will das Team für eine leidenschaftliche, sozial- und umweltverträgliche Gastronomie einstehen, kauft gern ganze Tiere ein, um sie umfassend zu verwerten, setzt auf Labels wie Slow Food und Pro Specie Rara, lässt sich gerne von Schweizer Kleinbetrieben beliefern: Die Liste reicht von Ziegenfrischkäse aus dem Muotatal bis zu Artischocken aus Wetzikon, und das Olivenöl stammt vom Peloponnes.

Der wichtigste Grundsatz aber, hierzulande vielerorts mit Füssen getreten, ist ganz am Schluss aufgeführt: «Für die Gerichte verwenden wir keine Halbfertig- oder Fertigprodukte.»

Hier wird ehrliches Handwerk durchaus mit etwas Pfiff versehen, das spiegeln schon die Cocktails, die wir zum Auftakt an der Bartheke trinken. Bei den Spritz-Varianten (Fr. 12.–) erhält Souboziane einen Auftritt, ein mit Chasselas und Enzianwurzel angesetzter Apéritif aus dem Berner Jura, und dem Negroni (Fr. 15.–) verleiht die rar gewordene Crème de Violette seine Tiefe.
Der grüne Kachelofen – ein Jahr jünger als der Quartierverein Wiedikon (1917) Der grüne Kachelofen – ein Jahr jünger als der Quartierverein Wiedikon (1917)
Der gute erste Eindruck setzt sich im vernünftig klein gehaltenen Speiseangebot fort. Wir starten mit Randen, Rettich, Lauch, im Haus knackig gepickelt (Fr. 6.–), charakterstarkem Erguel-Käse aus dem Jura (Fr. 9.–), würzigem Tessiner Lonzino-Lendenschinken (Fr. 14.–) und Sauerteigbrot (Fr. 6.–), begleitet von Kichererbsenmus mit schöner Schärfe.

Zart und rosa kommt das aufgeschnittene Filet von der Alpsau (Fr. 43.–) auf den Teller, mit kräftigem Rosmarin-Jus, Kartoffelgratin und gebackenen Kürbisspalten. Auch der Stotzenbraten vom Gitzi mit Spätzli und Rotkraut (Fr. 39.–) findet Lob und der Vegetarier am Tisch sein «Auberginensteak» (nun ja) aus dem Ofen mit violetten Albula-Kartoffeln (Fr. 29.–) tadellos. Dass das eine oder andere Gericht für unseren Geschmack etwas salzig geraten ist, trübt den Eindruck nicht entscheidend.

Eines der hausgemachten Desserts schliesslich schlägt eine Brücke ins Tessin: Farina Bona, das im Onsernonetal erfundene Mehl aus gerösteten Maiskörnern, ist in die Glace eingebunden. Die Kugel (Fr. 6.–) kommt im klassischen Silberbecher – old school, wie manches hier. So wird stets etwas Platz freigehalten für spontane Gäste und die Kreditkarte zwar akzeptiert, aber Bares ausdrücklich bevorzugt. Und gewirtet wird mit Herz. Das zeigt schon die Anmerkung zu der Notiz, dass die Toilette nur via Treppen erreichbar, das Lokal also nicht barrierefrei sei: «Wir helfen immer gerne, wo wir können!»
brachial saisonal lautet die Devise seit 2022 brachial saisonal lautet die Devise seit 2022
Der unaufgeregte Gastraum mit leiser Musik ist ein stimmiges Umfeld für das Wiedersehen und das Gespräch unter drei Studienfreunden. Der Preis von 80 Franken pro Kopf ist fair, zum Wohlbefinden trägt der überaus kundig, freundlich und flexibel agierende Service bei (eine aus dem Team hat vor Arbeitsbeginn neben uns an der Bar noch ihr Znacht verspeist). Ein Wein, der uns zu sperrig ist, wird anstandslos und unentgeltlich gegen ein süffiges Halbeli Barbera (Fr. 49.50) ausgetauscht – und für die Karaffe voll Hahnenwasser wird hier nichts verrechnet. Kurz: So stellen wir uns eine Beiz in der Stadt vor.
Restaurant Vereinigung
Manessestrasse 132, 8045 Zürich
Sonntags und mittags geschlossen.
Telefon 044 462 01 48
restaurant-vereinigung.ch