Quartierverein Wiedikon

Im Schneckentempo getestet

Kurz vor Weihnachten hat der Stadtrat seine Stellungnahme zum Starkstrombogen an der Friesenbergstrasse veröffentlicht. Dieses Stahlkonstrukt hatte die Sihltal Zürich Uetliberg Bahn (SZU) im Sommer 2022 zum Ärger vieler Anwohnerinnen und Anwohner errichtet. Die beiden Kreis 3-Gemeinderäte Flurin Capaul und Jehuda Spielman (beide FDP) hatten dazu Ende Oktober 2023 eine schriftliche Anfrage an die Stadtregierung gerichtet. Das Geschäft GR Nr. 2023/493 enthält fünf Fragen, die der Stadtrat nun beantwortet. Das Dokument ist hier zu finden.

Zentral ist vor allem die Antwort auf Frage 2: Wie genau wurde die Funktionalität des Kreuzungssystems getestet und wieso wurde es – falls es nicht erfolgreich war – trotzdem aufgestellt? Das Kreuzungssystem sei im Werkhof der Firma Kummler+Matter in Dällikon (Zürich Unterland) aufgebaut und getestet worden. Die Höchstgeschwindigkeit der dortigen Tests sei allerdings «auf zehn Stundenkilometer begrenzt». Worauf der Stadtrat einräumt: «Das Kreuzungssystem an der Friesenbergstrasse wird im regulären Betrieb mit wesentlich höheren Geschwindigkeiten befahren.»
Vom Triumph- zum Desasterbogen: Stahlkonstruktion der SZU über die Friesenbergstrasse
Vom Triumph- zum Desasterbogen: Stahlkonstruktion der SZU über die Friesenbergstrasse
Werkhof von Kummler+Matter AG in Dällikon (Foto Google Street View 2021)
Werkhof von Kummler+Matter AG in Dällikon (Foto Google Street View 2021)
Erst nach Inbetriebnahme der Konstruktion habe sich herausgestellt, «dass das höhere Tempo Auswirkungen auf die Funktionalität hat, welche bei den Tests nicht hatten erwartet werden können.» Hoppla – wer für diesen Bock verantwortlich ist, steht nicht in der Antwort. Jedoch: Diese Auswirkungen seien derart erheblich, dass das (vielgepriesene) Ingenieurskonstrukt «nicht mit der geforderten Funktionalität genutzt werden kann».
Kreis 3-Gemeinderäte Flurin Capaul und Jehuda Spielman Kreis 3-Gemeinderäte Flurin Capaul und Jehuda Spielman
Dumm gelaufen. Oder salopper ausgedrückt: Test gelungen, Projekt gestorben. Diese krude Logik verstehe, wer will. Nicht nur die SZU, sondern auch der Stadtrat behandelt die heisse Kartoffel offensichtlich mit grösstem Unwillen. Das zeigen die eher ausweichenden Antworten auf die übrigen vier Fragen.
  • Welche Experten ausser jenen der VBZ und der SZU sind in das «schweizweit einmalige Kreuzungssystem und Bauwerk» involviert? Antwort: Das Engineering sei durch die Firma Kummler+Matter erfolgt. Zurückhaltend, aber klar.
  • Warum ist ein Rückbau erst 2026 geplant? Weil seit der Umstromung der SZU von Gleich- auf Wechselstrom die Spannungsdifferenz zwischen SZU-Bahn und VBZ-Bussen zu gross sei. Pardon, aber damit ist die Frage des Zeitpunkts überhaupt nicht beantwortet.
  • Wie teuer sind die Gesamtkosten einer Alternativlösung? Die Kosten neben der Erstellung des Kreuzungssystems in Höhe von 2.5 Mio Franken seien «noch nicht abschliessend geklärt», würden aber von der SZU, nicht der VBZ getragen. Fazit: Immerhin werden die Zürcher Steuerzahlerinnen und Steuerzahler nicht zur Kasse gebeten.
  • Wer haftet für den Schaden der Bahn (SZU)? Diese strebe mit dem Lieferanten Kummler+Matter eine aussergerichtliche Lösung an, deshalb lasse sich der finanzielle Anteil «noch nicht abschliessend beurteilen». Eine Antwort, die etwa so exakt ist, wie eine Wetterprognose für in zehn Tagen.