Quartierverein Wiedikon

Orchesterverein feiert 100-jähriges Jubiläum

Orchesterverein feiert 100-jähriges Jubiläum
Mit einem Festkonzert hat der Orchesterverein Wiedikon letztes Wochenende sein 100-jähriges Bestehen gefeiert. Weil die Bühl-Kirche zu klein war, fand der Anlass in der Kirche Neumünster in Zürich-Riesbach statt. Ganz in schwarz gekleidet, doch in aufgeräumter Stimmung präsentierte sich das 30-köpfige Streichorchester vor Beginn mit einem Dutzend begleitenden Bläserinnen, Bläsern und einem Pauker auf der Aussentreppe dem Fotografen.
Anna Prieur, Violinistin und «Mastermind», und Dirigent Francesco Cagnasso Anna Prieur, Violinistin und «Mastermind», und Dirigent Francesco Cagnasso
«Als Geschenk an unser Publikum und an uns selbst haben wir für das Jubiläum ein sinfonisches Programm gewählt», schreibt Präsidentin Anna Prieur in ihrer Einladung. Gespielt wurden die geheimnisvolle Ouverture «Die Hebriden» in H-Moll von Felix Mendelssohn, das Cellokonzert Nr. 1 in A-Moll von Camille Saint-Saëns mit Solistin Chiara Enderle Samatanga sowie die spritzige Sinfonie Nr. 1 in D-Dur von Charles Gounod in vier Sätzen. Es dirigierte der Italo-Schweizer Francesco Cagnasso von der Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK), der seit August 2022 musikalischer Leiter des Orchestervereins Wiedikon ist.

Das rund anderthalbstündige Konzert begeisterte das Publikum in der fast gefüllten Neumünster-Kirche. Langanhaltender Applaus und stehende Ovationen verdankten den schönen Auftritt und die wohlklingenden Melodien.

Das Orchester Wiedikon wurde am 24. August 1924 vom späteren Dirigenten Richard Grünewaldt, einem vielseitigen Geiger, und etwa 20 Amateurmusikern gegründet. Eine prägende Figur war später der noch lebende Dirigent Werner Hurschler, der mit 15 Jahren 1962 als zweiter Violinist mitzuspielen begann, dann Konzertmeister wurde und schliesslich von 1974 bis im Jahr 2000 das Orchester leitete. Neben eigenen Konzerten begleitete dieses öfters den damals noch existierenden Gemischten Chor Wiedikon und den Männerchor Wiedikon. Erwähnenswert sind ferner die Gottesdienste in der Bühlkirche und im Fraumünster. Und Hurschler erinnert sich an das «anregende Zusammensitzen nach den Proben», wie das Programmheft zum diesjährigen Festkonzert schreibt.
Solistin Chiara Enderle Samatanga am Festkonzert im Neumünster Solistin Chiara Enderle Samatanga am Festkonzert im Neumünster
Sein Nachfolger war Christopher Morris Whiting, erster Geiger in der Tonhalle und Kammermusiker, der das Orchester Wiedikon von 2000 bis 2010 dirigierte. Er schwärmt von der Akustik im Bethaus an der Schlossgasse, in dem die Musikerinnen und Musiker seit 1924 proben – bis heute. «Die Akustik dort war derart hallig und schmeichelnd, dass ich mich endlich traute, in der Probe zu singen, noch schöner als zu Hause in der Dusche.» Whiting lobt den Idealismus und die Liebe zur Musik der Amateurmusiker. «In den besten Momenten meiner Karriere, insbesondere wenn ich das Tonhalle-Orchester dirigiere, bin ich vom Amateurgeist durchdrungen, den ich beim Orchesterverein Wiedikon erlebt habe.» Auch sein Nachfolger Jonas Ehrler hofft, dass der «Wiedikon spirit» noch lange weiterlebe.
Passionierte Dirigentin von 2018 bis 2022: Holly Choe (© Karsten Witt) Passionierte Dirigentin von 2018 bis 2022: Holly Choe (© Karsten Witt)
Die erste und einzige Dirigentin war die mitreissende US-Amerikanerin Holly Choe, Assistenzdirigentin von Paavo Järvi in der Zürcher Tonhalle, die das Orchester von 2018 bis 2022 mit Passion und Herzblut leitete. Über ihre Zeit in Wiedikon schreibt sie: «Auch wenn mein Montag von 09.30 bis 19.30 Uhr ein voller Arbeitstag war, brauste ich auf einem Lime Scooter jeweils von der ZHdK zu unserer Probe von 20 bis 22 Uhr – nie mit einem negativen Gefühl, immer in Vorfreude und Erwartung, mit euch zu proben. Wir haben zusammen hart gearbeitet und vieles entwickelt. Dank euch bin ich zur Dirigentin geworden, die ich heute bin.» Unter Holly Choe entdeckte und spielte der Orchesterverein die Werke mehrerer Komponistinnen. Ausschnitte aus Proben von Holly Choe mit dem Orchesterverein sind in einem kurzen YouTube-Video zu sehen.

Im Unterschied zu anderen Musikvereinen, die Nachwuchsproblem haben, zeigt sich der Orchesterverein Wiedikon weiterhin kräftig und vital. «Immer nach der Probe im Bethaus an der Schlossgasse sitzen wir im Gasthof Falken zusammen», sagt Violinistin Anna Prieur, die seit über einem Dutzend Jahren mitmacht und heute als «Master Mind» des Vereins (Präsidentin, Organisatorin) gilt. Von den gut 30 Streicherinnen und Streichern lebt noch ungefähr ein Drittel in Wiedikon, die übrigen in anderen Stadtquartieren oder ausserhalb von Zürich. Der Quartierverein hat dem Orchesterverein, der zu seinen Kollektivmitgliedern zählt, zu seinem runden Geburtstag eine Jubiläumsspende von 500 Franken zukommen lassen. In der Hoffnung, noch viele Jahre klassische Konzerte im Quartier zu erleben. Auch sie gehören trotz Wandel und Veränderung zu unserem wertvollen Kulturgut.

Mehr zum Orchesterverein finden Sie hier: orchesterwiedikon.ch

Interessierte Neumitglieder und Spendefreudige wenden sich direkt an: info@orchesterwiedikon.ch oder die Präsidentin Anna Prieur: Tel. 044 481 85 80
Orchesterverein Wiedikon im Juni 2024 – spielfreudig und lebendig
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