Aus der Geschichte des Quartiervereins (3)
Fuhrhalter G. Stiefel beklagt sich, seit seinem Vereinseintritt 1917, 'vom Quartierverein nichts mehr gehört zu haben'. Schreiben vom 15. Mai 1919 an
Quartiervereinspräsident Kaspar Koller
Die Mitgliederadministration des Quartiervereins liess in den Anfängen zu wünschen übrig. Erhalten ist zum Beispiel das Schreiben von Fuhrhalter G. Stiefel, Uetlibergstrasse
20, der Präsident Koller am 15. Mai 1919 daran erinnerte, dass er "seit Zustellung der Mitgliedkarte 1917 leider vom Quartierverein nichts mehr gehört habe". Er würde sich freuen,
in Zukunft Einladungen und "Nachnahme" – zum postalischen Einzug des Mitgliederbeitrages – zu erhalten.
Der Jahresbeitrag für den Quartierverein betrug anfänglich CHF 3, zwischen 1936 und 1949 gar nur CHF 2.50. Im Normalfall
holte ein „Einzüger“ den Barbetrag bei den Mitgliedern zuhause ab oder zog ihn an Versammlungen ein. Später und bei Mahnungen säumiger Zahler wurde er per Postnachnahme erhoben.
Die Mitgliedsbeiträge blieben fast fünf Jahrzehnte auf diesem bescheidenen Niveau. Auch juristische Personen (Firmen und Vereine) bezahlten denselben Beitrag. Erst an der
Generalversammlung 1976 wurde er für Einzelmitglieder von CHF 3 auf CHF 5 angehoben, für juristische Personen bereits ab 1970 auf CHF 20. In einem weiteren oder zwei Schritten
wurde der Jahresbeitrag für Einzelmitglieder zwischen 1976 und 1994 auf CHF 20 erhöht. Auf diesem Niveau ist er bis heute (2019) ein Vierteljahrhundert lang geblieben.
Handschriftliche Liste
der Mitgliedermutationen für das Jahr 1938, geordnet nach dem Anfangsbuchstaben des Familiennamens
Zum Mitgliederbestand des Vereins in den ersten Jahren fehlen detaillierte Zahlen. Im dritten Jahr seines Bestehens (1919) soll der Verein bereits gegen 500 Personen gezählt
haben. Damals betrug die Einwohnerzahl Wiedikons (Kreis 3) 30'900 Personen; das heisst, rund 1,5 Prozent der Bevölkerung gehörten dem Quartierverein an. Die erste exakte Zahl
stammt vom 1. Januar 1930: Damals zählte der Quartierverein 560 Mitglieder. Auch wenn wir nicht lückenlos Bescheid über die jährlichen Mutationen wissen, ist doch die ungefähre
Entwicklung seit 1930 aus den Akten ablesbar:
- 1930 560 Personen
- 1936 485 Personen
- 1940 522 Personen
- 1949 555 Personen
- 1958 517 Personen
- 1962 487 Personen
- 1965 501 Personen
- 1970 623 Personen
- 1974 713 Personen
- 1977 991 Personen
- 1981 1065 Personen (Höchststand)
- 1983 1045 Personen
- 1989 848 Personen
- 1993 715 Personen
- (1994-2015 keine Zahlen vorhanden)
- 2016 470 Personen (Tiefststand)
- 2017 615 Personen
- 2018 731 Personen
Zwischen 1994 und 2015 wurden keine Zahlen mehr veröffentlicht. Der Grund dafür ist nicht bekannt. An der Vorstandssitzung vom 22. März 1994 rief Präsident Laurenz Styger die
Vorstandsmitglieder dazu auf: "Jedes Vorstandsmitglied soll bis zur nächsten Generalversammlung 10 Mitglieder werben. Wer am meisten Mitglieder wirbt, bekommt auf dem Uto-Staffel
ein feines Essen." Trotz des Aufrufes setzte jedoch in den 1990er und 2000er Jahren ein langsamer Rückgang ein – bis zum Unterschreiten der 500er Grenze (ab ca. 2012/13). Im
Frühjahr 2017 fand kurz vor der 100-Jahr-Feier des Quartiervereins ein Präsidentenwechsel statt: von Ernst Hänzi (2008-2017) zu Urs Rauber. Im darauffolgenden Jahr 2018 wurde der
Vorstand personell kräftig erneuert. Seither wächst die Mitgliederzahl wieder konstant. Bei der aktuellen Bevölkerungszahl Wiedikons von 50'042 Personen (Ende 2017) erreicht der
Mitgliederbestand heute mit rund 730 Personen fast wieder den Anderthalb-Prozentanteil von 1917.
Am 7. März 1974 werden erstmals zwei
Frauen in den Vorstand des Quartiervereins gewählt (Traktandum 2.3.)
Obwohl Frauen von Beginn weg in den Verein aufgenommen wurden – eine damals fortschrittliche Praxis –, blieb der Vorstand während der ersten 57 Jahre ein reines
Männergremium. Unter der Präsidentschaft von Walter Kronbichler wählte die Generalversammlung am 7. März 1974 die ersten beiden Frauen in den Vorstand: die Verwaltungsbeamtin Anne
Chanson, die damals im Triemli arbeitete, und Nina Larcher, Mitinhaberin der Firma Larcher & Co. Wollgarne en gros. Anne Chanson wurde später Vizepräsidentin des Quartiervereins,
Nina Larcher wirkte als Aktuarin. Anne Chanson lebt noch heute hochbetagt in einem Zürcher Altersheim. Zu den bekannteren Vorstandsfrauen in den 1980er und 1990er Jahren zählten
Rosmarie Steiner, Livia Rietschi, Hedy Schwyn und Madeleine Antosiewicz. Der aktuelle Vereinsvorstand (für 2018-2020) besteht aus 12 Personen: fünf Frauen und sieben Männern. Der
Aufbruch ins zweite Jahrhundert des Quartiervereins scheint gelungen.
Vorstand des Quartiervereins im Jubiläumsjahr 2017. Stehend v.l. Raphael Kobler, Roland Scheck, Urs Rauber, Ronald Schmid, Christoph Holenstein; sitzend Beat Oberholzer, Ulrike Trinks, Denise Walker, Monika Widmer.
Ende der dreiteiligen Serie "Aus der Geschichte des Quartiervereins"
Recherche und Text: Urs Rauber, Quartierverein Wiedikon, 2018
Recherche und Text: Urs Rauber, Quartierverein Wiedikon, 2018