Quartierverein Wiedikon

Warum Martastrasse und Margaretenweg aufgewertet werden

Weibliche Strassennamen in Wiedikon (3)
Am oberen Ende der Martastrasse, bei der Einmündung Aemtlerstrasse, tummelten sich vor 60 Jahren die «Martasträssler-Kids» (Foto Naomi T. Salmon 2020) Am oberen Ende der Martastrasse, bei der Einmündung Aemtlerstrasse, tummelten sich vor 60 Jahren die «Martasträssler-Kids» (Foto Naomi T. Salmon 2020)
Die Martastrasse im Sihlfeldquartier und der Margaretenweg im Friesenberg gehören weder zu den besonders auffälligen noch zu den «prominenten» Strassen im Kreis 3. Das soll nun anders werden. In den nächsten Monaten erhalten beide Hinweistafeln auf bedeutende Frauen des 20. Jahrhunderts; so erfahren die zwei unscheinbaren Wege namensmässig eine Aufwertung. Es sind die Nummern 4 und 5, die Stadträtin Karin Rykart mit der Strassenbenennungskommission für ihre feministische Aktion auserkoren hat.

Die Martastrasse führt vom Anny Klawa-Platz im Kreis 4 über die Badenerstrasse bis zur Aemtlerstrasse im Kreis 3. Bekannt war sie in Wiedikon lange wegen der «Martasträssler»-Kids, einer Strassenkinder-Szene der 1950er und 1960er Jahre rund um die Fussballer Köbi Kuhn und Bruno Brizzi. Der Quartierverein hat darüber berichtet (Die Strassenkinder vom Sihlfeld).
Marta von Meyenburg, Leiterin der Sozialen Frauenschule Zürich, 1945 in ihrem Arbeitszimmer (Bild Milou Steiner, Keystone) Marta von Meyenburg, Leiterin der Sozialen Frauenschule Zürich, 1945 in ihrem Arbeitszimmer (Bild Milou Steiner, Keystone)
Neu soll nun eine Tafel an Marta von Meyenburg (1882-1972) erinnern, eine Sozialpädagogin, die die Pflegerinnenschule in Zürich besucht hat und später für die Amtsvormundschaft tätig war. Mit 28 wurde sie Leiterin von Fürsorgekursen, dann gründete sie zusammen mit ihrer Lebenspartnerin Maria Fierz die Soziale Frauenschule in Zürich. Als erste Schulleiterin baute Meyenburg 1921 bis 1934 die Berufsbildung der Sozialarbeiterinnen auf und förderte die Professionalisierung der weiblichen Fürsorgearbeit.

Marta von Meyenburg gehörte 1914 zu den Mitgründerinnen der Frauenzentrale Zürich und sass bis 1947 in deren Vorstand. Über 20 Jahre lang wirkte sie zudem als Vorstandsmitglied der Schweizerischen Pflegerinnenschule Zürich und setzte sich im zivilen Frauenhilfsdienst (FHD) für die Geistige Landesverteidigung ein. Im Jahr 1945 erhielt sie die Ehrendoktorwürde der Universität Zürich.
Am Margaretenweg, hinter der SZU-Haltestelle Friesenberg liegt der jüdische Friedhof Unterer Friesenberg Am Margaretenweg, hinter der SZU-Haltestelle Friesenberg liegt der jüdische Friedhof Unterer Friesenberg
Ebenfalls etwa 400 Meter lang ist der Margaretenweg, der parallel zur Uetliberg-Bahn von der SZU-Haltestelle Friesenberg bis zur Station Schweighofstrasse verläuft. Östlich grenzt er an den jüdischen Friedhof Unterer Friesenberg, westlich an ein Dutzend Häuser bei der Station Schweighof. Hier soll bald eine Hinweistafel an die jüdisch-deutsche Journalistin, Essayistin und Lyrikerin Margarete Susman (1872-1966) erinnern. Diese kam als 11-Jährige mit ihrem Vater in die Schweiz, besuchte in Zürich die Höhere Tochterschule, studierte später in Düsseldorf, München, Paris und Berlin Literatur, Malerei und Philosophie. Sie verkehrte in Künstler- und Intellektuellenkreisen und heiratete den Maler Eduard von Bendemann, mit dem sie 1912 nach Rüschlikon (ZH) zog.
Margarete Susman, Essayistin und Poetin, 1947 in Zürich (Bild Ullstein) Margarete Susman, Essayistin und Poetin, 1947 in Zürich (Bild Ullstein)
Susman schrieb als Journalistin für die «Frankfurter Zeitung», wohin sie einige Jahre zurückkehrte – bis sie nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 definitiv als Emigrantin nach Zürich auswanderte. Die vielseitige Publizistin setzte sich für die Emanzipation der Frauen im Judentum ein, wandte sich dem Zionismus und jüdischer Spiritualität zu, plädierte aber auch in einem programmatischen Aufsatz für «Die Brücke zwischen Judentum und Christentum». 1964 verfasste Margarete Susman ihre Autobiographie unter dem Titel «Ich habe viele Leben gelebt». Sie war eine äusserst vielseitige, auch aneckende Persönlichkeit.

Als sie 1966 in Zürich starb, wurde sie auf dem jüdischen Friedhof Oberer Friesenberg beigesetzt. Dass der an den Unteren Friesenberg angrenzende Margaretenweg damit ein konkretes historisches Gesicht erhält, ist auch eine schöne Geste an die zahlreich in Wiedikon lebende jüdische Gemeinschaft.