Geschichtsserie 2021 (1)
Bereits in der Helvetischen Republik (1798-1803) hatte das Bauerndorf Wiedikon eine öffentliche Schule. Ein einziger Lehrer unterrichtete bis zu 70 Kinder: 38 Mädchen und 32
Knaben, «je nach Witterung». Er brachte ihnen Buchstabieren, Lesen, Schreiben, Rechnen und Singen bei. Dies und anderes mehr wissen wir aus der «Stapfer-Enquête» von 1799, die der
damalige Bildungsminister der Helvetik Philipp Albert Stapfer (1766-1840) in der ganzen Schweiz in Auftrag gegeben hatte. Die Umfrage rund
50 Jahre vor Gründung des neuen Bundesstaates 1848 ist ein erstaunliches Dokument. Im Bundesarchiv in Bern aufbewahrt, wurde sie erst vor ein paar Jahren in einem grossen
Nationalfondsprojekt transkribiert und ediert. Sie bildet ein Juwel zur Geschichte des Schulwesens auf dem Gebiet der Eidgenossenschaft am Ende des 18. Jahrhunderts.
Im Jahr 1799 wurde Wiedikon eine selbständige Gemeinde. Die Stadt Zürich in unmittelbarer Nähe zählte damals rund 10'000 Einwohner und war von französischen
Revolutionstruppen besetzt, die das Gebiet der Schweiz 1797/98 okkupiert und die Helvetische Republik ausgerufen hatten. Österreichische und russische Truppen griffen im Juni 1799
die französischen Besetzer an (1. und 2. Schlacht von Zürich), wurden jedoch zurückgeschlagen. Erst 1803 erlangte Zürich dank Einführung der napoleonischen Mediationsverfassung
wieder die politische Eigenständigkeit.
Vor und nach der Helvetik war das Bildungswesen stets föderalistisch organisiert und lag bei Gemeinden, meist Kirchgemeinden und dem Kanton. Die fünf «helvetischen» Jahre bilden eine historische Ausnahme, während der Bund bezw. die Zentralregierung das Schul- und Bildungswesen regelten. Dieser Ausnahmesituation verdanken wir die einzigartige Quellensammlung zu rund 2'500 Gemeindeschulen in der Schweiz von 1799. Minister Stapfer, ein Mann der neuen Zeit nach der französischen Revolution, wollte den Zustand aller Schulen in der Schweiz mit einem standardisierten Fragebogen von 60 Fragen erheben. Über 2400 Fragebogen sind erhalten, ausgefüllt und zurückgeschickt von Schulmeistern, darunter nur wenigen Frauen. Der Antwortbogen aus Wiedikon ist für uns besonders interessant. Eingeschickt hat ihn Lehrer Hans Jakob Widler.
Vor und nach der Helvetik war das Bildungswesen stets föderalistisch organisiert und lag bei Gemeinden, meist Kirchgemeinden und dem Kanton. Die fünf «helvetischen» Jahre bilden eine historische Ausnahme, während der Bund bezw. die Zentralregierung das Schul- und Bildungswesen regelten. Dieser Ausnahmesituation verdanken wir die einzigartige Quellensammlung zu rund 2'500 Gemeindeschulen in der Schweiz von 1799. Minister Stapfer, ein Mann der neuen Zeit nach der französischen Revolution, wollte den Zustand aller Schulen in der Schweiz mit einem standardisierten Fragebogen von 60 Fragen erheben. Über 2400 Fragebogen sind erhalten, ausgefüllt und zurückgeschickt von Schulmeistern, darunter nur wenigen Frauen. Der Antwortbogen aus Wiedikon ist für uns besonders interessant. Eingeschickt hat ihn Lehrer Hans Jakob Widler.
Dank den Publikationen des Wiediker Pfarrers Paul Etter wissen wir, dass sich das erste Wiediker Schulhaus ab 1700 am heutigen Standort des Amtshauses Wiedikon befand, ab
1791 jedoch im neu erbauten Schul- und Bethaus an der Schlossgasse, das heute noch steht. Über dem Schulzimmer konnte der vom Schulrat St.
Peter 1781 als Lehrer eingesetzte Schulmeister Widler eine Wohnung beziehen. Die zum Schulbezirk gehörigen Häuser lagen im Umkreis von einer Viertelstunde Wegzeit, schreibt Widler
in seinem Antwortbogen. Die nächstgelegenen Schulen befanden sich in Aussersihl (ebenfalls eine Viertelstunde entfernt), Enge (eine halbe Stunde), Leimbach, Albisrieden und
Altstetten (je eine Stunde Fussweg entfernt). Als Schulbücher waren die «Namen-Büchli», der kleine und grosse Katechismus, der Waser-Psalter und das alte und neue Testament in
Gebrauch. Und Lehrer Widler ergänzte 1799: «Die Geübtesten lesen Zeitungen und geschriebene Sachen.»
Wer war Hans Jakob Widler? Nach eigenen Angaben wurde er 1750 in Wiedikon geboren und war ursprünglich Graveur und Modellstecher. Er hatte selbst eine Familie mit drei Kindern. Neben der Schule unterrichtete er interessierte Erwachsene in Schreiben, Lesen und Rechnen. Seine Klasse umfasste im Winter 70 Schulkinder, im Sommer 55. Was darauf hinweist, dass die Bauernkinder im Frühjahr und Sommer mehr zu Feld- und Hofarbeit herangezogen wurden. Die Schulstunden dauerten von morgens 8 bis 11 Uhr, nachmittags von 1 bis 3 oder 4 Uhr. Interessant sind die ökonomischen Grundlagen. Die Schule wurde nicht von der Gemeinde bezahlt, sondern von einem Schulfonds, der «aus dreyen Quellen» gespeist wurde: dem wöchentlichen Schulgeld jedes Kindes von (vermutlich) 2 Schilling, aus Beiträgen der reformierten Kirchgemeinde und möglicherweise Spenden.
Der Lehrer erhielt neben der kostenlosen Wohnung einen Lohn von 70 Pfund und drei Klafter Holz. 30 Pfund bezahlte die Gemeinde Wiedikon, 40 die Kirchgemeinde St. Peter, der Wiedikon angeschlossen war. Als persönliche Schlussbemerkung fügte Lehrer Widler noch an: «Da wir jederzeit fränkische Truppen in unserer Gemeinde haben, wird die Schule gar nicht so fleissig besucht wie zu anderen Zeiten. Ich kann wohl sagen, dass ich noch nie so wenig Kinder in der Schule gehabt habe als diesen vergangenen Sommer und Winter.»
Wer war Hans Jakob Widler? Nach eigenen Angaben wurde er 1750 in Wiedikon geboren und war ursprünglich Graveur und Modellstecher. Er hatte selbst eine Familie mit drei Kindern. Neben der Schule unterrichtete er interessierte Erwachsene in Schreiben, Lesen und Rechnen. Seine Klasse umfasste im Winter 70 Schulkinder, im Sommer 55. Was darauf hinweist, dass die Bauernkinder im Frühjahr und Sommer mehr zu Feld- und Hofarbeit herangezogen wurden. Die Schulstunden dauerten von morgens 8 bis 11 Uhr, nachmittags von 1 bis 3 oder 4 Uhr. Interessant sind die ökonomischen Grundlagen. Die Schule wurde nicht von der Gemeinde bezahlt, sondern von einem Schulfonds, der «aus dreyen Quellen» gespeist wurde: dem wöchentlichen Schulgeld jedes Kindes von (vermutlich) 2 Schilling, aus Beiträgen der reformierten Kirchgemeinde und möglicherweise Spenden.
Der Lehrer erhielt neben der kostenlosen Wohnung einen Lohn von 70 Pfund und drei Klafter Holz. 30 Pfund bezahlte die Gemeinde Wiedikon, 40 die Kirchgemeinde St. Peter, der Wiedikon angeschlossen war. Als persönliche Schlussbemerkung fügte Lehrer Widler noch an: «Da wir jederzeit fränkische Truppen in unserer Gemeinde haben, wird die Schule gar nicht so fleissig besucht wie zu anderen Zeiten. Ich kann wohl sagen, dass ich noch nie so wenig Kinder in der Schule gehabt habe als diesen vergangenen Sommer und Winter.»