Quartierverein Wiedikon

Kennen Sie Boli, Peter, Sieber und Schaufelberger?

Geschichtsserie 2021 (2)
Die Bolistrasse von der Einmündung Friesenbergstrasse (Vordergrund) bis zum Borrweg (Hintergrund) ist bloss 158 Meter lang
Die Bolistrasse von der Einmündung Friesenbergstrasse (Vordergrund) bis zum Borrweg (Hintergrund) ist bloss 158 Meter lang
Viele Strassenbezeichnungen im Quartier enthalten Flurnamen (z.B. Gehrenholz und Kolbenhof), andere geben Hinweise zur Bodennutzung (Heuried, Nussbaumstrasse) oder zur Bodenbeschaffenheit (Kalkbreite, Giesshübel, Kleinalbis). Wieder andere weisen auf historische Bauten (Borrweg von Burgweg) oder alteingesessene Zürcher Familien hin (Manesseplatz, Schwendenweg, Kollerwiese). Interessanter sind Strassen, die nach verstorbenen Persönlichkeiten benannt sind. Vor einem Jahr haben wir fünf «weibliche» Strassen vorgestellt, die bedeutenden Frauen gewidmet wurden, die in Zürich gelebt und gewirkt haben. Die dreiteilige Serie ist auf unserer Website zu finden.

Vater und Sohn als Gemeindepräsident

Leider fehlt eine biografische Tafel zu den beiden Wiediker Gemeindepräsidenten Jakob und Johann Heinrich Boli Leider fehlt eine biografische Tafel zu den beiden Wiediker Gemeindepräsidenten Jakob und Johann Heinrich Boli
Heute wollen wir an vier Wiediker Männer erinnern, die im Quartier verwurzelt waren und sich für das Gemeinwohl engagiert haben. Persönlichkeiten, die der Bolistrasse, der Schaufelbergerstrasse, dem Jakob-Peter-Weg und der Sieberstrasse ihren Namen gegeben haben. Die Bolistrasse im Friesenberg ist nur 158 Meter lang und führt vom Borrweg zur Friesenbergstrasse. Mit Stadtratsbeschluss vom 26. September 1925 erhielt das bisher namenslose kurze Wegstück diesen Namen. Jakob Boli (1817-1870) war Lehrer und stellvertretender Gemeindeschreiber des Ziegeldorfs Wiedikon. 1858 trat er vom Lehrberuf zurück, was von der NZZ sehr bedauert wurde: «Wie anderwärts, so lichten sich auch in unserem Kanton mehr und mehr die Reihen tüchtiger Schulmänner». Sei’s wegen zu geringem Verdienst oder wegen gesundheitlicher Einbussen, so beim «wackeren Lehrer Hr. Boli von Wiedikon nach 22-jähriger Lehramtstätigkeit». Der Schulmeister trat in den Dienst der Nordostbahn über und wurde – vermutlich nach 1860 – Gemeindepräsident von Wiedikon. Das Dorf vergrösserte sich, als im Jahr 1852 die Gebiete Friesenberg, Döltschi, Au, Halde, Binz und Giesshübel dazu kamen, die bei der Abtrennung von Aussersihl (1787) diesem zugeschlagen worden waren. Im Jahr 1870 zählte Wiedikon 2'848 Einwohner.

Jakob Bolis Sohn, Johann Heinrich Boli-Salzmann (1839-1901), ebenfalls Wiediker Bürger, wurde später zusammen mit Enkel Heinrich Besitzer der Lackfabrik Boli, Sulzberger & Cie. in Altstetten. Johann Heinrich folgte seinem Vater auch im Amt als Gemeindepräsident. Die genaue Amtszeit und weitere Umstände sind uns leider nicht bekannt. Wirtschaftlich hatte die Ziegelproduktion zu einem Aufschwung geführt. 1875 wurden die Üetlibergbahn und die linksufrige Zürichseebahn, die durch Wiedikon fuhren, eingeweiht. Nach der letzten grossen Überschwemmung an der Sihl korrigierte man den Fluss im Jahr 1876. Fünf Jahre später wurde der erste Bahnhof in Wiedikon – auf dem heutigen Strassenniveau – erbaut. 1892 schliesslich stimmte Wiedikon der Vereinigung mit der Stadt Zürich mit überwältigendem Mehr von 1113 Ja- gegen 22 Nein-Stimmen zu. Damit verlor das Dorf seine 1799 erhaltene politische Selbständigkeit. Im Jahr 1894 zählte der neue Kreis 3 (Wiedikon) knapp 9'000 Einwohnerinnen und Einwohner.

Lehrer genossen hohes Ansehen

Ebenfalls Lehrer war Arnold Schaufelberger (1855-1944). Er unterrichtete von 1876 bis 1925 an der Primar- und Sekundarschule. Schaufelberger galt als eifriger Förderer von Natur- und Heimatschutz und nahm auch rege Anteil am kirchlichen Leben. Lange Zeit war er Mitglied und Präsident der Zentralkirchenpflege. 1941 erschien von ihm die Jubiläumsschrift «Gemeinde Wiedikon und 150 Jahre Kirche – Schule». Er erwarb sich grosse Verdienste, weshalb der Stadtrat im Oktober 1949 – fünf Jahre nach seinem Tod – die Benennung der neuen Verbindungsstrasse zwischen Birmensdorfer- und Gutstrasse nach ihm für «durchaus gerechtfertigt» hielt. Umso mehr, als der Weg am Schulhaus Im Gut vorbeiführte.
Schade, dass man auch über den Wiediker Sekundarlehrer, der der Schaufelbergerstrasse den Namen gab, vor Ort nichts erfährt
Schade, dass man auch über den Wiediker Sekundarlehrer, der der Schaufelbergerstrasse den Namen gab, vor Ort nichts erfährt
Unweit der Schaufelbergerstrasse liegt das Schulhaus Im Gut
Unweit der Schaufelbergerstrasse liegt das Schulhaus Im Gut
Lehrer standen in Wiedikon offensichtlich in hohem Ansehen. Auch Jakob Peter (1891-1980) war von 1911 bis 1917 Primarlehrer in Humlikon (bei Andelfingen), später Sekundarlehrer in Wiedikon, wo er am Maierisliweg wohnte. Er war 1924 Mitbegründer und von 1926 bis 1965 Präsident der Familienheimgenossenschaft Zürich (FGZ). Der Sozialdemokrat engagierte sich auch politisch: als Gemeinderat, Kantonsrat – bis er 1938 in den Stadtrat gewählt wurde, wo er von 1938 bis 1958 als Finanzvorstand amtete. Nach dem Flugzeugabsturz von Dürrenäsch 1963 kümmerte sich Jakob Peter um die Waisenkinder von Humlikon und führte dort einige Wochen lang die verwaiste Gemeindeverwaltung. Beim Absturz waren nämlich 43 Einwohner des Dorfes, darunter der ganze Gemeinderat, ums Leben gekommen.
Jakob Peter (1891-1980), Stadtrat und FGZ-Präsident
Jakob Peter (1891-1980), Stadtrat und FGZ-Präsident
Auch der Jakob Peter-Weg liegt im Friesenberg
Auch der Jakob Peter-Weg liegt im Friesenberg

Populäre Stadträte aus Wiedikon

Jakob Peter war eine beliebte Persönlichkeit, die jeweils durchs Quartier spazierte, «die Hände auf dem Rücken, sehr oft seine Brissago zwischen den Lippen». Gerühmt wurde seine ausgleichende Art und sein Humor, er konnte gut Geschichten erzählen. Dabei hätten sich «seine buschigen Augenbrauen» zusammengezogen und ein verschmitztes Lächeln Augen und Mundwinkel umspielt. Drei Jahre nach seinem Tod wurde der Maierisliweg 1983 in Jakob-Peter-Weg umbenannt.

Das bürgerliche Gegenstück zum linken Jakob Peter war der volksverbunden Freisinnige Albert Sieber (1901-1974). Auch er war zuerst Gemeinderat, Kantonsrat und langjähriger Präsident des Verkehrsvereins Zürich. 1946 wurde er ebenfalls in den Stadtrat gewählt und blieb dort bis 1970 Polizeivorstand. Über ihn kursieren unter Einheimischen manche Anekdoten – zum Beispiel, dass die Überschreitung der Polizeistunde jeweils kein Problem gewesen sei, wenn er selber im Lokal sass. Dabei hatte er sich als Stadtrat 1968 eher den Ruf eines «Hardliners» erworben, als es im Gefolge des «Globuskrawalls» zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen bewegten Jugendlichen und der Polizei kam. Im eigenen Departement wurde Sieber als «Vater des Polizeikorps» bewundert, da sich während seiner Amtszeit der Bestand von 525 auf 1060 Korpsangehörige beiderlei Geschlechts verdoppelt hatte.
Albert Sieber (1901-1974), Stadtrat und Altersheim-Förderer
Albert Sieber (1901-1974), Stadtrat und Altersheim-Förderer
Eingang zum Seniorama im Tiergarten an der Sieberstrasse
Eingang zum Seniorama im Tiergarten an der Sieberstrasse
Albert Sieber war «ein überaus beliebter Vertreter dieses Quartiers», schrieb der Stadtrat über ihn. Er gehörte der Zunft zu Wiedikon an, wurde Zunftmeister, später Ehrenzunftmeister und war Ehrenmitglied verschiedener städtischer Quartiervereine. Vor allem aber sass er im ersten Vorstand des Vereins Altersheime Wiedikon. So wurde denn 1987 nach ihm die Stichstrasse zur Erschliessung des Tiergartenquartiers benannt, an der eines der beiden Senioramen des Vereins Altersheime Wiedikon liegt.