Keine Strasse zeigt den Wandel Wiedikons vom Durchgangs- zum Trendquartier besser als die Weststrasse. Sie führt von der Brandwache Süd an der Manessestrasse bis fast zum Lochergut. Lange galt sie als «Auspuff» der Nation, als Dreckschleuder
und Wohn-Unort. Seit fast 15 Jahren – nach Schliessung der Westtangente und der Schaffung des neuen Brupbacherplatzes – erlebt sie einen neuen Boom: Schicke Boutiquen sind hier
entstanden, Bars und Startups. Ein wuselndes Ausgehviertel und zugleich Schmelztiegel unterschiedlicher Szenen und Bevölkerungsgruppen: so tickt heute das Weststrassenviertel.
Über Geschichte, Entwicklung und Hintergründe haben wir auf unserer Website bereits früher berichtet, letztmals im August
2021.
Letzte Woche hat der Quartierverein zwei Führungen auf der legendären Meile durchgeführt; beide waren ausgebucht. Marcel Ebner, ein Weststrassen-Insider, hat die über 40 Personen in zwei Gruppen – eine am Donnerstagabend, die zweite am Samstagmittag – durch das lebendige Quartier geschleust. Hier einige Bildeindrücke von den zwei Touren, die nach zwei Stunden mit einem grosszügigen Apéro endeten.
«Wie viele Eier verarbeitet das Gasthaus zum guten Glück an einem normalen Wochenende?», fragt der Stadtführer zu Beginn. Die Antwort, die erst am Schluss verraten wird, lautet: Es sind 1’000 Stück. Besagtes Restaurant an der Ecke Stationsstrasse/Weststrasse ist einer von rund einem Dutzend Haltepunkten der Weststrassen-Führung. «Und was verspüren Sie beim Verzehr dieser Gummibärchen?», war die zweite Frage. Auch diese Auflösung ist überraschend, sie folgt später.
Letzte Woche hat der Quartierverein zwei Führungen auf der legendären Meile durchgeführt; beide waren ausgebucht. Marcel Ebner, ein Weststrassen-Insider, hat die über 40 Personen in zwei Gruppen – eine am Donnerstagabend, die zweite am Samstagmittag – durch das lebendige Quartier geschleust. Hier einige Bildeindrücke von den zwei Touren, die nach zwei Stunden mit einem grosszügigen Apéro endeten.
«Wie viele Eier verarbeitet das Gasthaus zum guten Glück an einem normalen Wochenende?», fragt der Stadtführer zu Beginn. Die Antwort, die erst am Schluss verraten wird, lautet: Es sind 1’000 Stück. Besagtes Restaurant an der Ecke Stationsstrasse/Weststrasse ist einer von rund einem Dutzend Haltepunkten der Weststrassen-Führung. «Und was verspüren Sie beim Verzehr dieser Gummibärchen?», war die zweite Frage. Auch diese Auflösung ist überraschend, sie folgt später.
Einen wunderschönen Einblick in ein Jugendstil-Treppenhaus gibt’s gleich zu Beginn an der Weststrasse 122. Ein typisches
Blockrandgebäude aus der Gründerzeit, von denen es viele hier gibt. Unweit davon befindet sich in einem Backsteinbau in einem Hinterhof das Individum. Nein, kein Boxclub, sondern ein Vintage-Möbelladen, der nur drei Tage in der Woche geöffnet hat (Seebahnstrasse 113). Früher war’s eine
Pudding-Fabrik, weiss Marcel Ebner zu erzählen. Heute stapeln sich auf zwei Geschossen Möbel aus dem 20. Jahrhundert von ganz Europa: Sessel, Tische, Sofas, Lampen. Kaum tritt man
ein, sucht der Geschäftsführer den Kontakt zur interessierten Besucherschar.
Im Secondhand-Geschäft 2nd Value an der Ecke Bremgartner-/Zentralstrasse ist noch der Schalter der ehemaligen Post
Wiedikon zu erkennen. Ein interessantes kleines Detail. Die Weststrasse ist teilweise auch eine jüdische Strasse, steht hier doch die Synagoge der orthodoxen Glaubensgemeinde
Agudas Achim sowie das Kaufhaus Koscher City, das die verkosteten Gummibärchen verkauft. Ein
Verkaufsrenner übrigens, wie man im Quartier weiss, da ohne Schweinefleisch-Zutat produziert (dies die Antwort auf Marcel Ebners zweite Frage). Auch darüber gibt’s einen
früheren Artikel.
Später zeigt der Tourist Guide auf ein modernes Haus und fragt, woran man sehe, dass es ein jüdisches Mehrfamilienhaus
sei. An den versetzten Balkonen, von denen jeder gegen den Himmel hin offen sei. Hier wird das religiöse Laubhütten-Fest gefeiert. An einer Parallelstrasse befindet sich seit 30
Jahren der quartierbekannte Coiffeursalon von Silvia Chiarello, die (ein Quartiervereinsmitglied) ebenfalls an der Führung teilnimmt. Als
wir vor ihrem Geschäft aufkreuzen, schaut ihre Kollegin Donatella heraus, die demnächst ihr Geschäft übernehmen wird, und ruft laut: «Willkommen!»
Silvia Chiarello (Mitte) vor ihrem Coiffeursalon mit Nachfolgerin Donatella (rechts)
Silvia Chiarello (Mitte) vor ihrem Coiffeursalon mit Nachfolgerin Donatella (rechts)
Einen Sprung weiter befindet sich an der Ecke Birmensdorfer-/Weststrasse seit rund zwei Jahren der von zwei Berlinern
geführte Eisladen. Ein Trendgeschäft, das seiner grossen Rivalin vom Brupbacherplatz (Gelateria di Berna) bereits mächtig Konkurrenz macht.
Ehrensache, dass alle 20 Besucher gleich eine Kugel zum Probieren mitnehmen dürfen. Gegen zwei Dutzend Geschmackssorten stehen zur Auswahl.
In die Modewelt der 1920er, 60er, 70er und 80er Jahre taucht man im Retro-Fummel-Laden Meine Garderobe an der Zweierstrasse 105 ein. Hunderte von Kostümen, Brillen, Hüten und Schals erfreuen hier das Herz jedes Nostalgikers und jeder Partyorganisatorin. Zu erwähnen wären noch ein paar Sehenswürdigkeiten mehr.
In die Modewelt der 1920er, 60er, 70er und 80er Jahre taucht man im Retro-Fummel-Laden Meine Garderobe an der Zweierstrasse 105 ein. Hunderte von Kostümen, Brillen, Hüten und Schals erfreuen hier das Herz jedes Nostalgikers und jeder Partyorganisatorin. Zu erwähnen wären noch ein paar Sehenswürdigkeiten mehr.
Am Schluss steigt die Besuchergruppe im denkmalgeschützten Seebähnli-Hochhaus
(Ecke Seebahn-/Kalkbreitestrasse) aufs Dach und geniesst den Rundumblick. Über die Dächer der gegenüberliegenden VBZ-Tramgarage, den Reiterbahnhof Wiedikon, die Glarner Alpen in
der Ferne, die Uetlibergflanke, Triemli, Letzigrund bis zum Seebahngraben, über dem in einigen Jahren ein langgezogener Park entstehen soll.
Gesättigt von Eindrücken, doch etwas hungrig und durstig, verschieben sich die Besucher schliesslich ins Erdgeschoss, wo
der Quartierverein einen leckeren Apéro offeriert. Den hat der mit über einem Dutzend Gault-Millau-Punkten dekorierte junge Koch Simon
Müller mit seinem Team zubereitet. Seit anderthalb Jahren führt er das Edelrestaurant Rémy im Seebähnli-Parterre. «Ist das ein
feiner Apéro», seufzt ein Gast wohlwollend. «Schauen Sie mal in diese Runde,» entgegnet Kellner Sami, «was sehen Sie da?» Gast: «Lauter
zufriedene Personen.» Sami: «Eben. Deshalb liebe ich meine Arbeit hier so sehr!»