Soll der Friedhof Sihlfeld zum Rummelplatz werden? fragte der Quartierverein am öffentlichen Podium mit Stadtpräsidentin Corine Mauch vom 20. Mai 2021. Das war mitten in der Corona-Zeit, als physische Veranstaltungen mit mehr als 100 Personen nicht möglich waren.
Selbstverständlich nicht, war die Meinung der Stadtpräsidentin im Gespräch, das sie mit alt Bundesrichterin Brigitte Pfiffner (Grüne
Partei) und mit Buchautorin Barbara Hutzl-Ronge damals führte. Die ehemalige Bundesrichterin hatte schon im November 2020 in einem
Kurzgutachten festgehalten: «Die Umfunktionierung des Friedhofs Sihlfeld in einen Eventpark ist verfassungswidrig, weil es den Grundrechtsschutz von Toten und deren Angehörigen
verletzt.»
Doch nun passiert genau dies. In der Antwort auf eine schriftliche Anfrage der zwei Gemeinderäte Flurin Capaul und Marita Verbali aus dem Kreis 3 weicht der Zürcher Stadtrat die meisten bisher geltenden Friedhofregeln und -verbote auf – schleichend zwar, aber unzweideutig. Die beiden Ratsmitglieder hatten am 21. August 2024 sechs Fragen gestellt, die der Stadtrat in seinem Beschluss vom 20. November 2024 (publik gemacht im Dezember 2024) nun beantwortet. Die Antworten haben es in sich. Hier finden Sie das Gemeinderatsgeschäft GR Nr. 2024/385.
Doch nun passiert genau dies. In der Antwort auf eine schriftliche Anfrage der zwei Gemeinderäte Flurin Capaul und Marita Verbali aus dem Kreis 3 weicht der Zürcher Stadtrat die meisten bisher geltenden Friedhofregeln und -verbote auf – schleichend zwar, aber unzweideutig. Die beiden Ratsmitglieder hatten am 21. August 2024 sechs Fragen gestellt, die der Stadtrat in seinem Beschluss vom 20. November 2024 (publik gemacht im Dezember 2024) nun beantwortet. Die Antworten haben es in sich. Hier finden Sie das Gemeinderatsgeschäft GR Nr. 2024/385.
Joggen, Bikini und Picknick erlaubt
Sind folgende Verbote, so lautete eine Frage, im Friedhof Sihlfeld noch strikt gültig: a) Drogenkonsum, b) Velofahren, c) Joggen, d) Hundefreilauf, e) Tragen von
Badekleidung, f) Littering, g) Picknicken?
Nein, sagt dazu der Stadtrat beim Joggen, Tragen von Badekleidung und Picknicken – sofern sie nicht gegen Art. 22 Abs. 1 des Reglements über das Bestattungswesen und die Friedhöfe (RBF) verstossen: «Die Friedhöfe sind Stätten der Ruhe und der Besinnung. Besuchende haben sich entsprechend zu verhalten.» Eine Formulierung, die alles und nichts sagt. Denn ein Sonnenbädeler wird sich ebenfalls für «Ruhe» und «Besinnung» stark machen, während sich eine trauernde Person gerade durch solche Aktivitäten enorm gestört fühlen kann. Solche Freizeitaktivitäten erlaubt nun also der Stadtrat. Damit wird die Vermutung, die Viele beim erstmaligen Lesen der 2022 neu angebrachten braunen Hinweistafeln auf dem Friedhof hatten, dass Picknick neu geduldet werde, behördlicherseits bejaht. Das gleiche gilt für Jogging und das Tragen von Badekleidern, beides war gemäss den bisherigen Verbotsschildern klar untersagt. Dass die Stadtverwaltung (Grün Stadt Zürich) Verbotstafeln schleichend entfernt, ohne es transparent zu machen, ist das eine. Dass die Botschaften – seltsame weisse Kreise auf braunem Grund, die eher an Geheimlogen und Sekten erinnern – teils unverständlich sind, das andere. Geht es hier nur um ein Velofahrverbot? Oder um eine allgemeine Verhaltensregel? Verständlich ist einzig das Hundeverbot.
Nein, sagt dazu der Stadtrat beim Joggen, Tragen von Badekleidung und Picknicken – sofern sie nicht gegen Art. 22 Abs. 1 des Reglements über das Bestattungswesen und die Friedhöfe (RBF) verstossen: «Die Friedhöfe sind Stätten der Ruhe und der Besinnung. Besuchende haben sich entsprechend zu verhalten.» Eine Formulierung, die alles und nichts sagt. Denn ein Sonnenbädeler wird sich ebenfalls für «Ruhe» und «Besinnung» stark machen, während sich eine trauernde Person gerade durch solche Aktivitäten enorm gestört fühlen kann. Solche Freizeitaktivitäten erlaubt nun also der Stadtrat. Damit wird die Vermutung, die Viele beim erstmaligen Lesen der 2022 neu angebrachten braunen Hinweistafeln auf dem Friedhof hatten, dass Picknick neu geduldet werde, behördlicherseits bejaht. Das gleiche gilt für Jogging und das Tragen von Badekleidern, beides war gemäss den bisherigen Verbotsschildern klar untersagt. Dass die Stadtverwaltung (Grün Stadt Zürich) Verbotstafeln schleichend entfernt, ohne es transparent zu machen, ist das eine. Dass die Botschaften – seltsame weisse Kreise auf braunem Grund, die eher an Geheimlogen und Sekten erinnern – teils unverständlich sind, das andere. Geht es hier nur um ein Velofahrverbot? Oder um eine allgemeine Verhaltensregel? Verständlich ist einzig das Hundeverbot.
Drogen, Velofahren und Littering toleriert
Vage Aussagen macht der Stadtrat zu Drogenkonsum, Velofahren, Lärm und Littering. Zwar hält er auf Papier fest, dass
diese Tätigkeiten verboten seien. Doch warum wurden die alten Regeln abmontiert: «Sie betreten einen Friedhof – bitte bedenken Sie, dass dies ein Ort der Ruhe ist! Wir bitten Sie,
Ihr Fahrrad zu stossen, sich ruhig zu verhalten, keinen Abfall liegen zu lassen»? Kein Trauernder, aber auch kein Partygänger und keine Velofahrerin tragen den Stadtratsbeschluss
bei sich, wenn sie den Friedhof betreten. Im Gegenteil gilt in Zürich: Was nicht ausdrücklich verboten ist, wird stillschweigend toleriert. Doch zahlreiche Friedhof-Besuchende
finden es himmeltraurig, wenn Regeln nicht mehr durchgesetzt und Regelverstösse stillschweigend geduldet werden.
Eine einzige neue – sinnvolle – Massnahme hat das Bestattungs- und Friedhofamt (BFA) eingeführt, nämlich die Schliessung der Toiletten von abends 17 Uhr bis morgen 7 Uhr. Damit wird der Cruising-Szene (anonymer Sex unter Männern) auf dem Friedhof wenigstens nachts etwas Einhalt geboten. Doch hat diese Toilettenschliessung, wie uns Trauernde berichten, eine Kehrseite: «Weil bei den Herren-WC die Kabine geschlossen ist, wird das Geschäft ins Pissoir verrichtet.» Oder ins Gebüsch, wie eine andere Friedhofbesucherin beobachtet hat. Der Quartierverein führt eine Chronik der Zuschriften zum Friedhof Sihlfeld – sie enthält mittlerweile (Januar 2025) über 150 Statements und kann bei uns angefordert werden.
Am Schluss seiner Antwort lässt der Stadtrat die Katze aus dem Sack: «Gleichzeitig sollen die Friedhöfe der Bevölkerung auch für eine dem Ort angemessene Erholungsnutzung zur Verfügung stehen.» Dies sei mit dem in der Volksabstimmung vom 1. Dezember 2021 genehmigten kommunalen Richtplan so festgehalten. Alt Bundesrichterin Brigitte Pfiffner kritisiert diese Sicht entschieden: «Der Friedhof Sihlfeld hat eine nationale Bedeutung. Der Denkmalschutz schützt ihn und die dort beigesetzten Toten in ihren Grundrechten. Ein Friedhof kann und darf nicht in einen Freizeitpark umgewandelt werden.»
Eine einzige neue – sinnvolle – Massnahme hat das Bestattungs- und Friedhofamt (BFA) eingeführt, nämlich die Schliessung der Toiletten von abends 17 Uhr bis morgen 7 Uhr. Damit wird der Cruising-Szene (anonymer Sex unter Männern) auf dem Friedhof wenigstens nachts etwas Einhalt geboten. Doch hat diese Toilettenschliessung, wie uns Trauernde berichten, eine Kehrseite: «Weil bei den Herren-WC die Kabine geschlossen ist, wird das Geschäft ins Pissoir verrichtet.» Oder ins Gebüsch, wie eine andere Friedhofbesucherin beobachtet hat. Der Quartierverein führt eine Chronik der Zuschriften zum Friedhof Sihlfeld – sie enthält mittlerweile (Januar 2025) über 150 Statements und kann bei uns angefordert werden.
Am Schluss seiner Antwort lässt der Stadtrat die Katze aus dem Sack: «Gleichzeitig sollen die Friedhöfe der Bevölkerung auch für eine dem Ort angemessene Erholungsnutzung zur Verfügung stehen.» Dies sei mit dem in der Volksabstimmung vom 1. Dezember 2021 genehmigten kommunalen Richtplan so festgehalten. Alt Bundesrichterin Brigitte Pfiffner kritisiert diese Sicht entschieden: «Der Friedhof Sihlfeld hat eine nationale Bedeutung. Der Denkmalschutz schützt ihn und die dort beigesetzten Toten in ihren Grundrechten. Ein Friedhof kann und darf nicht in einen Freizeitpark umgewandelt werden.»
Ignoriert das Friedhofamt das Bundesgerichtsurteil?
In dieses schiefe Bild passt auch, dass die Zürcher Behörden das Bundesgerichtsurteil vom 6. September 2024 («Friedhof
Sihlfeld: eine Nullrunde weiter») offenbar nicht umsetzen wollen. Im Urteil steht: «Die Stadt Zürich ist angewiesen, auf das Gesuch des Beschwerdegegners vom 14. Mai 2020, es
seien abendliche Schliessungszeiten zu verfügen, einzutreten.» Beschwerdegegner ist Grabmieter Markus R., über dessen Fall der Quartierverein berichtet hat («Stadt muss Friedhof Sihlfeld nachts wieder schliessen»). Deshalb unsere Frage an ihn: Hat das Friedhofamt Ihr nächtliches
Schliessungsbegehren vom 14. Mai 2020 inzwischen neu geprüft und entschieden? Nein, erklärt der betroffene Markus R. Zwar habe er sich schon im November an das BFA gewandt, doch
die Verantwortlichen «hüllen sich seither einfach in Schweigen». Quartiervereinspräsident Urs Rauber konnte das kaum fassen. Und fragte BFA-Chef Yannick Landolt direkt an: «Können wir daraus schliessen, dass Sie das Bundesgerichtsurteil vom 6. September 2024 nicht vollziehen wollen?» Auch darauf
grosses Schweigen – der Quartierverein hat bisher keine Antwort erhalten.